Geh in Führung mit dem, was dir am Herzen liegt!

Christine Winter // Introvertiert

6. Oktober 2016  

Mal eine Frage: Würdest du sagen, dass Angela Merkel eine Führungs-Persönlichkeit ist?

Ich frage das, weil ich den Eindruck habe, dass sie ziemlich gut in die Kategorie „Stille Menschen“ passen könnte…

Die Frau ist seit bald elf Jahren Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland.
Und nicht selten vermittelt sie den Eindruck, sie sei der Chef der ganzen EU.

Ich will hier keine Politik diskutieren. Ich will nur zeigen: Zurückhaltende Menschen und verantwortungsvolle Positionen, in den man unweigerlich Führungskraft ist, schließen sich nicht gegenseitig aus.

Gibt es sie wirklich, die „leisen Leader“?

Ich denke bei der Frage nach „Leadern“ natürlich zuallererst an Wirtschaftsbosse, Unternehmer-Persönlichkeiten, Politiker, hochrangige Manager.

Na ja, während ich weiter nachdenke, erinnere ich mich auch an die Leute, die ich als Vorgesetzte im Job über mir hatte… Hups, ich war ja selber auch jahrelang eine Vorgesetzte.

Und dann gibt es natürlich auch jede Menge Leute, die in Vereinen und Gemeinschaften oder einfach nur in meinem Freundeskreis Verantwortung übernehmen und damit im ganz normalen Alltagsleben in Führung gehen.

Und während ich so darüber nachdenke, fällt mir Bill Gates ein. Und Barack Obama. Vielleicht auch Papst Franziskus? Aber auf jeden Fall der Dalai Lama!

Zurückhaltung und weltumspannender Einfluss schließen sich offensichtlich nicht gegenseitig aus.

Was hat die Weltherrschaft jetzt mit uns zu tun?

Stille Menschen treten nicht von vornherein an, um die Welt zu beherrschen. Ich unterstelle mal, dass das auch für die genannten Persönlichkeiten absolut nicht das ursprüngliche Ziel war.

Ich glaube, dass Stille Menschen in Führung gehen, weil sie gar nicht anders können. Sie müssen ihre Werte verwirklichen. Und ihr Anliegen für die Welt verlangt, dass sie sich weiterentwickeln, um für die Sache, die sie vertreten, aus der Masse herauszustechen – obwohl sie, wenn sie auf andere Weise das Gleiche erreichen könnten, lieber unauffällig und still im Hintergrund bleiben würden.

Ich glaube das deshalb, weil es mir selbst immer wieder passiert ist, dass ich „für die Sache“ weit über meinen Schatten gesprungen bin und mich in den Vordergrund gestellt habe, obwohl ich mich weiter hinten wohler gefühlt hätte.

Ich war nie absichtlich Führungskraft – sondern ich war da, wenn es nötig war, zu führen. Das ist ein großer Unterschied, finde ich.

  • Im Job mussten Entscheidungen getroffen werden, damit die Arbeit flutschte. Also habe ich entschieden.
  • Im Urlaub mit meinen Freunden musste jemand sagen, was es an Sehenswürdigkeiten zu besuchen gab und wie wir eine abwechslungsreiche gemeinsame Reise machen können. Also habe ich die Reiseleitung übernommen.
  • Die Stillen Menschen brauchten jemanden, der zeigt, dass es ein Leben nach den Sprechblockaden gibt und dass jeder es da hin schaffen kann. Also habe ich Stille Stärken entwickelt.

Stille Menschen führen einfach – und werden dadurch sichtbar

Mir sind im Berufsleben immer wieder Kollegen begegnet, die „Karriere machen“ als wichtiges Ziel und „Ruhm“ als wichtigen Wert hatten. Um das zu erreichen, haben sie sehr darauf geachtet, dass sie – im allerbesten Licht – gesehen wurden und dass ihnen Erfolge zugeschrieben wurden. (Das soll keine Kritik sein. Irgendjemand muss den Erfolg des Teams schließlich nach außen darstellen. Und dafür erklären sich die zuerst bereit, die sich bei der „Außendarstellung“ am wohlsten fühlen.)

Ich bin aber auch immer wieder Leuten begegnet, denen ging es darum, Inhalte zu vermitteln und Projekte, die ihnen wichtig waren, erfolgreich abzuschließen. Oder es war ihnen wichtig, dass der Laden für Kunden und Mitarbeiter reibungslos läuft und dass die Menschen darin ihr Bestes geben und bekommen können. Oder es ging ihnen darum, eine ganz bestimmte Sache in die Welt zu bringen, weil sie einfach in die Welt musste.

Und wenn dazu eine gewisse Außendarstellung nötig wurde (und sich kein anderer im Team zu einer Art „Regierungssprecher“ ernennen ließ), dann machten sie das eben auch.
Während sie das für die Sache machten, was dafür zu tun war, zeigte sich so manches Talent. Ein authentisches Führungs-Talent!

Nur die Lauten werden gehört?

Ich sag‘s mal so: Wer nichts von sich gibt, wird nicht gehört.

Da wir zurückhaltenden Charaktere kein Bedürfnis haben, irgendetwas in die Welt zu posaunen – und sei es noch so posaunens-würdig! -, ist es für die Welt meistens echt schwierig, etwas von uns mitzubekommen.

Aber ich sag es mal so: Wenn Posaunen dir nicht so liegt, nimm die Harfe.

Du kannst dich auf ruhige Weise ausdrücken. Da spricht überhaupt nichts dagegen. Ganz im Gegenteil.

Ich für meinen Teil finde Schreiben einfacher als in eine Kamera zu sprechen. Darum gibt‘s im ganzen Stille-Stärken-Blog bislang kein Video, auf dem ich im Bild zu sehen bin. Trotzdem mache ich mich hier ganz regelmäßig „sichtbar“ und habe „meine Stimme“.

Wenn du lieber schreibst als sprichst, dann schreibe.
Und schreibe so, dass deine Aussagen von anderen Menschen gehört werden.

Wenn du dich in Musik ausdrückst – mach Musik.

Wenn du malst, was in dir steckt – male.

Wenn du tanzen kannst – tanze.

Mach es auf deine Weise. Aber mach es so, dass es andere Leute mitkriegen.

Was passiert, wenn die Leisen ihr Potenzial verkennen?

Diese Frage stammt von Maike. Und sie ist sehr wichtig.

Was passiert, wenn jemand zurückhaltend ist und großartige Stärken hat? Was passiert, wenn niemand etwas davon mitkriegt? Was passiert, wenn sich der wunderbare Mensch selbst nichts zutraut?

Die Antwort ist: Nichts.

Es passiert einfach gar nichts. Die Welt ist viel zu betriebsam, um auf jemanden aufmerksam zu werden, der nicht bemerkbar ist.

Wenn etwas in dir ist, was in die Welt muss, dann zeig es!

Jaaaa, ich weiß, dass du dich jetzt ganz klein machst und dir absolut sicher bist, dass das niemals passieren wird.

Und vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen: Ich habe NICHT geschrieben, dass du DICH zeigen sollst. Ich weiß ganz genau, dass du das nicht mal eben so machen würdest. Ehrlich gesagt – das würde ich auch nicht.

Ich kenne die Hürde, die du empfindest, wenn ich sage: „Zeig dich!“
(Sogar, während ich das hier hinschreibe, kriege ich Herzflattern, wenn ich mich da hineindenke…)

Du musst dich nicht präsentieren. Du darfst dich zurücknehmen. Es ist okay.

Zeig das, was du kannst. Zeig, was dir wichtig ist. Zeig etwas VON DIR.

Nur eine Kleinigkeit. Zeig etwas von dir, das dir leicht fällt. Etwas, das dir ganz natürlich und selbstverständlich erscheint. Und falls du dich fragst, wen das interessieren könnte:
Es interessiert die anderen Leser, die hier gelesen haben, dass sie sich nicht selbst darstellen und präsentieren müssen – aber dass die Welt darauf wartet, ihre Stärken kennenzulernen.

Gib uns ein Beispiel von dir, damit wir entdecken können, dass alle unsere Stärken wertvoll und beachtenswert sind.

Hier lesen Leute, die schon mehrere Bücher veröffentlicht haben. Und welche, die anderen Menschen etwas beibringen. Und tatsächlich gleich mehrere Illustratorinnen. Mehrere Sängerinnen. (Ja, im Chor singen zählt auch als „Sängerin sein“.) Eine tolle Korrektorin für Texte. Eine Videobloggerin. Etliche Blog-Schreiberinnen sowieso.

Hier lesen viele, viele stille Menschen, die längst zeigen, was sie können. Ganz im Kleinen oder auch still und unauffällig schon ein kleines Bisschen größer.

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Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine

Christine