Gedicht zum Frühling

Christine Winter // Leserthemen

4. Mai 2020  

Die Zeiten sind speziell.
Das C-Wort kann man längst nicht mehr hören - und doch ist es auch in diesem Jahr Frühling geworden. Wie immer.

Die Natur macht, was eben gerade dran ist. Wir können uns daran gerne ein Beispiel nehmen. Schließlich gibt es immer etwas, das wir schaffen können.

Janne Jesse schreibt Gedichte. Du kennst vielleicht ihre gereimten Mutismus-Bücher für Kinder: Aurelia sagt nie Danke oder Der stille Ritter Tom. Sie hat aber auch einen Gedichtband für Erwachsene unter dem Titel Tintenstimme: Gedichte aus der Stille herausgebracht (Links zu Amazon, unentgeltliche Werbung).

Und ganz aktuell hat sie das folgende Gedicht geschrieben, das den Frühling in Zeiten von CoViD-19 zum Thema hat.

© Janne Jesse

Frühling im Zeichen von…

Alles wartet - auf dem Sprung,
nur ein letzter Sonnenstrahl,
bis ein neues Reich gedeiht,
auf dem alten es gebahrt.

Glänzend, prall die runden Knospen,
ihr Korsett schon längst zu stramm,
bald gesprengt die engen Ketten,
nicht mehr lang' es dauern kann.

Wischt fort die Tränen jüngster Sorgen,
und den Sand der dunklen Nacht,
zuversichtlich nicken Blümchen,
aus dem Winterschlaf erwacht.

Streckend ihre schlanken Glieder,
zu den Wolken - hoch hinaus,
emsig lockt die grelle Zierde
in ihr warmes Sonnenhaus.

Heimgekehrt die bunten Vögel,
lösen ab die Krähenschar,
fröhlich klingt es durch die Lande,
eben noch es anders war.

So schien dem Tode unsere Welt,
unser Chaos sie nicht schert,
höhnisch dreht sie einfach weiter,
jeglich Anstand ihr entbehrt.

Möchte heilen unsere Wunden,
möchte trösten unser Herz,
schickt den Frühling zu verkünden,
dass kein Leid auf ewig währt.

Ihr dürft lachen, wieder hoffen,
lehrt sie uns an jedem Tag,
um zu trauern und zu weinen
einst sie uns den Winter gab.

Wir werden's nie vergessen,
was heute nicht mehr ist,
doch müssen weiter wachsen,
wie Bäume hoch zum Licht.

Zu Ehren alter Zeiten
erblüht in schönster Pracht,
was Wandel und Gezeiten
als Gaben uns gebracht.

Janne Jesse