Du hast also Sprechblockaden – aber was, bitteschön, bedeutet das ganze “Fachchinesisch”?

Christine Winter // Mutismus

30. März 2019  

Selektiven Mutismus im Erwachsenenalter verstehen -Teil 1

Machen wir uns nichts vor. Die medizinische Sprache IST schwierig. Schon allein deswegen, weil sie ausschließlich aus Fremdwörtern besteht – und weil diese Fremdwörter immer irgendwelche ganz speziellen Bedeutungen haben, auf die man von selber niemals kommen würde…

Darum rede ich am liebsten ganz unmedizinisch von “Sprechblockaden”. Ich denke, was das bedeutet, weißt du genau so gut wie ich. Darunter verstehen wir das Still-Sein, das wir eigentlich nicht wollen, aber mit dem Willen nicht verhindern können.

Trotzdem ist “Mutismus” ein Wort, an dem kein Weg vorbei führt, wenn dich deine Sprechblockaden stören und du dir Hilfe deswegen suchst. Denn sobald deine Störung therapeutisch behandelt wird, kommt das medizinische Fachchinesisch auf dich zu.

Wir sollten also einige Fachbegriffe klären…

Vorab: Ich schreibe diesen Artikel für Erwachsene, die wissen oder vermuten, dass sie selbst Sprechblockaden aufgrund von Selektiven Mutismus haben. Da diese Art von Sprechblockaden in sehr jungen Jahren entstanden ist, findest aber du im Text auch viele Infos, die dir weiterhelfen, wenn du als Elternteil mit dem Problem bei deinem Kind konfrontiert bist.

Der Begriff „Mutismus“

Im Lateinischen gibt es das Wort so nicht. Es ist abgeleitet von “mutus” – dem Eigenschaftswort für “stumm”.

Medizinisch wird es als “Namenwort” verwendet. Der Mutismus bedeutet dann “Stummheit”.

Aus dem Medizin-Wörterbuch:
„Mutismus (Substantiv, m, kein Plural) Absichtliches oder psychisch bedingtes Verstummen einer Person, die ihre Muttersprache beherrscht, auf Zeit oder auf Dauer, ohne dass dafür organische Ursachen erkennbar sind.“

Auf Deutsch: Die Person sagt nichts, obwohl sie die Sprache kann und alle Sprechorgane funktionieren.

Es ist egal, wie viel Absicht hinter dem Schweigen steckt.
Es ist egal, ob immer und überall oder begrenzt und zeitweise geschwiegen wird.
Es ist auch egal, ob man eine Ursache dafür kennt (wenn geklärt ist, dass organisch alles okay ist).

Der Arzt und der Therapeut sagt “Mutismus” zu jedem Schweigen, das keine konkrete organische Ursache hat. (Wenn es eine konkrete organische Ursache hat, sagt er möglicherweise immer noch “Mutismus”, aber er ergänzt ein “… aufgrund von …” und nennt das körperliche Problem.)

Sprechblockaden = Mutismus,
aber nicht jedes Schweigen ist gleich Selektiver Mutismus

Mehr Therapeuten-Fachchinesisch – möglichst kurz erklärt

  • DIAGNOSE


    Die genaue Zuordnung von Befunden zu einer im “Krankheiten-Katalog” (der heißt ICD als Abkürzung für “International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems” – ich erzähle dir weiter unten noch etwas mehr darüber…) aufgelisteten Krankheit
  • ANAMNESE


    Irgendwo müssen die Befunde ja herkommen. Daher erfragt der Diagnostiker die Vorgeschichte einer Krankheit im Gespräch mit dem Kranken oder, wenn das nicht geht, mit den Angehörigen.
  • SYMPTOM


    Alle Anzeichen für Krankheit werden als Symptome bezeichnet. Daraus ergibt sich dann der Befund, der dann der passenden Diagnose zugeordnet wird, damit schließlich feststeht, wie das Problem (medizinisch) korrekt heißt.
    Daraus folgt, dass zunächst mal alles, was irgendwie relevant sein könnte, gesammelt wird. Man weiß ja zu Anfang noch gar nicht, was letztlich wichtig sein könnte (und was einfach nur so nebenbei auffällt). Die Auffälligkeiten werden bei der Befunderhebung in verschiedenen Bereichen gesucht:
    • Körperliche Krankheitsanzeichen (einschließlich Labor und körperlicher Untersuchung)
    • Psychische Krankheitsanzeichen (einschließlich Tests und Fragebögen)
    • Lebenssituation und Lebensgeschichte
    • Frühere Erkrankungen
    • Persönliche Entwicklung (einschließlich Intelligenz), innere Überzeugungen
  • Du siehst schon: Wenn man das sorgfältig macht, dann kommt da ungemein viel Material zusammen – und zwar noch bevor überlegt wird, um welche Krankheit es sich handeln könnte.
  • DIFFERENZIALDIAGNOSTIK


    Fast immer bei psychischen Problemen ist nach der Symptom-Sammlung ein begründeter Verdacht da, der in mehrere Richtungen weist. Dann ist der nächste Schritt, alle möglichen Erklärungen für die vorgefundenen Krankheitszeichen nebeneinander zu betrachten. Manche Ideen können an der Stelle sicher ausgeschlossen werden. Andere bleiben erstmal “im Rennen”, während schon mit der Therapie begonnen wird.
  • VERDACHTSDIAGNOSE


    Solange noch mehrere Möglichkeiten offen sind, darf keine abschließende Diagnose gestellt werden.
    In dem Moment, in dem sich schon klar eine Option abzeichnet, aber die anderen noch sorgfältiger betrachtet werden müssen, damit man sie sicher ausschließen kann, wird ein “Verdacht auf …” notiert.
    Diese Verdachtsdiagnose bleibt manchmal während der ganzen Therapie so, weil eben andere theoretisch vorhandene Möglichkeiten nicht hundertprozentig ausgeschlossen werden können. Macht aber nichts. Eine Therapie bei “Verdacht auf …” ist nicht weniger wirksam – das “V. a.” ist in erster Linie medizinisch-bürokratische Wortklauberei.
  • THERAPIE


    Wenn hinreichend geklärt ist, worum es geht, dann beginnt die Therapie.
    Nochmal: Die Diagnostik muss überhaupt nicht endgültig abgeschlossen sein, um mit der Behandlung anzufangen.
    Bei einem körperlichen Problem – nehmen wir mal eine schlimme bakterielle Infektion – wird ja auch nicht abschließend geklärt, wie das ursächliche Bakterium mit zweitem Vornamen heißt. Wenn es dir schlecht geht, kriegst du nach einer vorläufigen Befunderhebung erst mal ein Breitband-Antibiotikum. Wenn das wirkt, kann man davon ausgehen, dass irgendeine Bakterie Ärger macht. Und hoffentlich sind deine ärgsten Beschwerden schon gelindert, bis das Labor endlich den exakten Erreger festgestellt hat.
    Therapie ist jede Behandlung mit dem Ziel, die Krankheit positiv zu beeinflussen.
  • PSYCHOEDUKATION (BERATUNG, PATIENTEN-COACHING)


    Weil du nicht nur willst, dass der Therapeut an deiner Krankheit arbeitet, sondern auch selbst mithelfen möchtest, brauchst du noch mehr Informationen darüber.
    Der Austausch mit dem Therapeuten ist dafür ganz wichtig (und sollte – gerade bei der Beratung zu Sprechblockaden – auch schriftlich ablaufen können, wenn reden nicht geht).
    Wenn du besondere Beratungs- oder Coaching-Termine bekommst, dann wird der Therapeut das als Psychoedukation bezeichnen und meint damit, dass er Wissen über das Problem und Möglichkeiten für den Alltag an dich weitergibt.

Wie die Diagnose „Selektiver Mutismus“ definiert ist

Bei Erwachsenen mit Sprechblockaden ist der wahrscheinlich wichtigste Teil der Definition:

Selektiver Mutismus ist eine Störung, die schon in der Kindheit vorhanden war.

Wenn du also im Erwachsenen-Alter Sprechblockaden hast, aber als Kind überhaupt nie welche hattest, dann müssen (!) wir differenzialdiagnostisch den “Selektiven Mutismus” schon mal ausschließen.
Dann würden also alle anderen Möglichkeiten, die Mutismus (also das Schweigen ohne ersichtliche organische Ursache, siehe oben) beinhalten können, genauer unter die Lupe nehmen.

Die Symptome, die für Selektiven Mutismus ALLE zutreffen müssen, damit die Diagnose gestellt werden darf, sind:

  • Störung sozialer Funktionen mit Beginn in Kindheit/Jugend
    Dass die Kommunikation durch das Schweigen gestört wird, liegt auf der Hand. Das zieht dann auch andere soziale Einschränkungen nach sich.
  • Sprachausdruck und Sprachverständnis ist altersentsprechend vorhanden
    Bei Kindern ist das Wörtchen “altersentsprechend” besonders wichtig. Als Erwachsener kannst du es durch “normal” ersetzen.
  • Unfähigkeit, in bestimmten „normalen“ Situationen zu sprechen
    Es geht um alltägliche Situationen und nicht um einen Auftritt vor x-tausend Leuten oder eine Fachdiskussion zu einem Thema, von dem du noch nie zuvor gehört hast.
  • In allen anderen Situationen ist Sprechen möglich
    Es muss auf jeden Fall Lebensbereiche oder Alltagssituationen geben, in denen die Blockaden nicht da sind. Sonst kann man nicht von “selektiven” Sprechblockaden sprechen.
  • Beständige Dauer mindestens vier Wochen
    Einmal ist keinmal. Es dürfte klar sein, dass du nicht krank bist, wenn dir nur einmal die Worte fehlten.
  • Nicht wegen fehlender Sprachkenntnisse oder weil die Situation unbekannt ist
    Klar. Wenn du nichts sagst, weil du eine Sprache nicht kannst, ist das keine Krankheit. Wenn du nichts sagst, weil du die Situation, in die du da geraten bist, nicht kennst, auch nicht. Beides kann man lernen – und die Entscheidung, ob du es lernen möchtest, liegt bei dir.
  • Es liegt keine tiefgreifende Entwicklungsstörung (insbes. Autismus) vor
    Wenn bereits eine Störung aus dem Autismus-Spektrum diagnostiziert wurde, dann wird nicht zusätzlich Selektiver Mutismus diagnostiziert.
    Das sagt nichts darüber aus, ob jemand Autismus UND Sprechblockaden HAT.
    Die Sprechblockaden werden dann aber dem Autismus zugerechnet und sind keine eigenständige Krankheit.

Wenn du weißt (oder wenn Familienmitglieder, die du danach fragst, sich daran erinnern können), dass du als Kind schon Sprechblockaden hattest, die dich seither ein Leben lang begleitet haben, dann kann die Diagnose “Selektiver Mutismus” in jedem Alter in Betracht kommen, obwohl sie eigentlich zu den psychiatrischen “Kinderkrankheiten” gezählt wird.

Die Diagnose von Selektivem Mutismus betrifft immer das JETZT

Wenn du schon als Kind Sprechblockaden hattest, die immer geblieben sind, dann sind über die Jahre weitere Themen hinzugekommen. Das geht quasi gar nicht anders. Zu wissen, dass in scheinbar ganz normalen Alltagssituationen die Sprache wegbleibt, macht einen buchstäblich krank.

Und so muss bei Erwachsenen in der Differentialdiagnose sorgfältig aussortiert werden, ob die Symptome nicht eher zu Depressionen, zu Angststörungen, zu Zwangsstörungen, zu Suchterkrankungen undsoweiter gezählt werden müssen.

Denn: Eine Diagnose ist immer die Feststellung, was jetzt – also genau HEUTE! – das Problem ist.

Wenn du heute mit heftigen Halsschmerzen zum Arzt gehst, sagt der auch nicht: “Mit drei Jahren hatten Sie schlimme Verdauungsbeschwerden. Die sollten wir jetzt erst mal behandeln und dann arbeiten wir uns langsam bis zum heutigen Problem vor…”
Er schaut dir in den Hals, schickt einen Abstrich ins Labor und entscheidet dann, was du jetzt gerade hast und wie die bestmögliche Behandlung aussehen muss, damit du schnellstens wieder völlig okay bist.

Bei psychischen Problemen ist das kein Bisschen anders.

Und: Je älter du wirst, desto eher kommen zu den psychischen Themen auch noch körperliche “Zipperlein” auf, die sich durchaus auch auf’s Verhalten auswirken könnten. Wenn der Stoffwechsel Zicken macht oder der Blutdruck seinen eigenen Willen auslebt, dann macht das etwas mit dir – und zwar auch psychisch. Falls du beispielsweise schon mal mit der Schilddrüse zu tun hattest, weißt du, was ich meine.

Körper, Psyche, Verhalten, Erleben, Empfinden… Das bist alles DU. Das gehört alles zusammen. Und daher gehört es auch zusammen betrachtet, bevor es eine Diagnose gibt.

Durch die Symptom-Brille betrachtet

Ich finde es nicht gut, wenn Menschen von (durchaus wohlmeinenden) Fachleuten nur wie ein “Symptomträger” gesehen – und behandelt – werden.

“Der Blinddarm von Zimmer 338 hat schon wieder die Klingel gedrückt” ist zwar ein alter Krankenschwestern-Witz, aber der ist überhaupt nicht witzig. Denn ein so beschriebener Patient fühlt sich mit der Zeit tatsächlich so, als wäre er “der Blinddarm”. Und das macht schlechte Laune, die ganz und gar nicht heilsam ist.

“Der Mutist” oder “der Schweiger” oder “der Stumme” zu sein, ist nicht viel anders.

Klartext: Du BIST nicht dein Symptom. Niemals. Never ever!

Das Symptom ist nur ein Symptom, ein Anzeichen für eine Erkrankung. Und es stört – das ist der Grund, warum es sich so sehr in den Vordergrund spielt. Genau aus diesem Grund spricht man bei psychischen Symptomen eher von “Störung” als von “Krankheit”. Weil es halt stört.

ES ist nicht DU.

DU bist nicht ES.

Ihr habt euch irgendwann mal irgendwie getroffen. Wie, ist jetzt egal. Und weil ihr euch bisher nicht klar voneinander getrennt habt, seid ihr eben immer noch zusammen. Das Symptom und du.

Du solltest dich niemals selbst als Symptom-Träger sehen. Denn – ich wiederhole mich – DU – BIST – NICHT – DEIN – SYMPTOM.
Punkt.

So.

Nachdem wir das geklärt haben, muss ich doch nochmal auf den Krankenschwestern-Spruch zurückkommen:

“Der Blinddarm…”

Solche Bezeichnungen sind gedankenlos. Dummes Zeug. Schnell dahergesagt.

Aber sie sind nicht selten. In Krankenhäusern nicht und auch nicht in Arztpraxen. Bei Psychotherapeuten leider auch nicht, obwohl die es wirklich besser wissen müssten…

Solche Zuschreibungen haften. Sie haften auch dann noch an den Patienten, wenn das Problem schon vorbei ist.

Ich kenne Erwachsene, die früher mit Sprechblockaden konfrontiert waren und heute längst sehr erfolgreich im Beruf, in ihrer Beziehung und im Leben überhaupt sind. Sie haben natürlich nicht vergessen, dass sie über die Jahre eine Menge Erfahrungen mit Blockaden gemacht haben. Aber sie kommen damit zurecht, haben ihren Alltag und die Momente, in denen Blockaden früher aufgetreten sind, im Griff.

Und wenn man sie fragt, was sie als Mensch ausmacht, dann sagen sie:
“Ich bin Mutist.”
Oder: “Ich bin ein Schweiger. Immer schon gewesen.”
Oder bestenfalls: “Ich bin Ex-Mutistin und komme mittlerweile zurecht.”

Ist das nicht traurig?

Tu mir bitte einen Gefallen:
Schau dich selbst nicht länger durch die Symptom-Brille an.
DU – BIST – KEIN – SYMPTOM.

Im „Symptom-Wegmach-Modus“ – …man nennt es auch Therapie

Die Diagnose ist das Resultat einer Checkliste. Wenn bestimmte Symptome gleichzeitig da sind, dann hat der Patient diese Krankheit.
Check.

Daraus könnte man nun den Umkehrschluss ziehen: Wenn nicht mehr alle Symptome da sind, die auf der Diagnose-Checkliste stehen, dann hat der Patient die Krankheit nicht mehr.

Der einzige Punkt beim Selektiven Mutismus, den man therapeutisch ändern kann, ist die “Unfähigkeit, in bestimmten Situationen zu sprechen” – und irgendwie erscheint es logisch, dass die Krankheit geheilt ist, wenn der Patient in allen (vom Therapeuten) bestimmten Situationen spricht.

Daraus ergeben sich Übungen wie z. B.
auf bestimmte Fragen von bestimmten Personen bestimmte Antworten geben,
mit dem Therapeuten ein immer wiederkehrendes Begrüßungsritual machen,
irgendwo anrufen und irgendeine vorher festgelegte Auskunft einholen,
Passanten auf der Straße ansprechen und nach der Uhrzeit fragen,
in Begleitung des Therapeuten ein Eis kaufen…

Das ist gut.
Ohne Übung kannst du Kommunikation nicht lernen.
Und mit dem Therapeuten zu üben macht die Sache viel einfacher als wenn du allein experimentierst.
Jede positive Kommunikations-Erfahrung macht es dir leichter, mehr eigene Experimente zu machen – um noch mehr positive Erfahrungen zu sammeln.

Nur…
Du bist nicht geheilt, wenn du wunschgemäß auf das Therapeuten-Begrüßungs-Ritual reagierst. Denn alle anderen Menschen, die dir über den Weg laufen, sind nicht wie deine Therapeutin und daher werden sie andere Begrüßungs-Gewohnheiten haben.
Du bist auch nicht geheilt, wenn du Passanten zu Übungszwecken auf der Straße anquatschst. Und mal ehrlich – es gibt immer irgendeine Möglichkeit, auf einem anderen Weg die Uhrzeit herauszufinden.
Es reicht auch nicht, wenn du gewohnheitsmäßig in wiederkehrenden Situationen reagieren kannst…

Das ist alles super. Es gibt dir die Möglichkeit, noch mehr für dich neue Sachen mit anderen Personen auszuprobieren.

Aber ich weiß, dass du dich dabei völlig unwohl fühlst und nicht du selbst bist und daher auch nicht das Gefühl hast, dass du jetzt keine Sprechblockaden mehr hast.

Ich nenne das “funktionales Sprechen” – denn du sagst etwas, aber es fühlt sich nicht normal für dich an, sondern es erfüllt den Zweck der Übung.

Gesund werden kommt danach. Und es fängt damit an, dass funktionales Sprechen funktioniert.

Und wann ist man dann gesund?

Die Definition für Gesundheit der Weltgesundheitsorganisation WHO lautet:

„Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen.“

Vollständiges soziales Wohlbefinden.

Das ist viel mehr, als zu antworten, wenn man gefragt wird.
Oder irgendwo anzurufen und eine vorher einstudierte Frage zu stellen.
Oder ein gewohntes Ritual abzuspulen.

Vollständiges soziales Wohlbefinden heißt, dass du schlichtweg vergessen hast, was überhaupt eine Kommunikations-Blockade ist. Weil du nämlich keine hast. Nirgends.

Wenn du sprechen möchtest, sprichst du.
Wenn nicht, dann nicht.
Beides ist okay.
Du entscheidest. Nicht die Krankheit.

Das sollte von Anfang an dein Ziel für deine Therapie sein.

Alle Experimente, Übungen, Herausforderungen während der Therapiezeit sind dann Schritte zu deinem vollständigen sozialen Wohlbefinden.

Jeder deiner Erfolge macht mehr Wohlbefinden. (Und es ist ganz egal, ob ein Therapeut als Zeuge dabei ist oder ob du ganz für dich allein feierst, dass dein Alltag wieder ein Stück leichter geworden ist.)

Du erweiterst dein soziales Wohlbefinden.

Und nach einer Weile wirst du merken, dass der Alltag funktioniert. Und dass der Stress geringer wird, weil du handlungsfähiger wirst.

Viel später wirst du dann zurückdenken, wie es früher mit dein Sprechblockaden war. Und du wirst feststellen, dass alle Einschränkungen in deinem sozialen Wohlbefinden längst weg sind. Dass “normal reden” und “normal leben” jetzt so normal für dich ist, dass du daran keinen Gedanken mehr verschwendest.

Das ist gesund.

Das ist das Ziel von Therapie.

Zusammengefasst…

Es gibt eine Menge „fachchinesische“ Medizin-Fremdwörter. Und spätestens wenn du dir Hilfe von einem Arzt oder Therapeuten holst, wirst du ein paar von den Fachbegriffen hören.

Wichtig ist dann, dass du daran denkst: „Mutismus“ heißt erst mal nur „Schweigen“ – und Schweigen ist ein Symptom, das in verschiedenen Diagnosen eine Rolle spielt.

„Selektiver Mutismus“ ist eine von diesen Diagnosen. Und da bei Erwachsenen immer auch andere Probleme eine Rolle spielen, wird der Arzt oder Therapeut mit Differenzialdiagnostik schauen, was davon JETZT, am Tag der Diagnosestellung, das Problem ist.

Das ist für den Arzt, die Therapeuten und die Krankenkasse wichtig.

Für dich ist viel wichtiger, dass du die Sprechblockaden los wirst. Zunächst durch bestimmte Übungen mit dem Therapeuten und dann durch ganz viel ausprobieren und experimentieren in deinem Alltag.

Dein Ziel ist von Anfang an Gesundheit: Wohlbefinden in allen sozialen Situationen.

Egal, wie schnell du auf deinem Weg voran kommst: Das Ziel ist, dass du nie wieder einen Gedanken an Sprechblockaden verschwenden musst, weil du eben keine mehr hast.

Und dann:

Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine

Christine

Das war der erste Teil der Mini-Serie
"Selektiven Mutismus im Erwachsenenalter verstehen"

Teil 2 behandelt die Frage:

Wie erlebst du dich und die Welt um dich herum, wenn du in einer Sprechblockade steckst?