Auf dem Weg zum neuen Job

Christine Winter // Introvertiert

6. Februar 2017  

Gastbeitrag von Claudia Tetz-Froböse

Bewerbungen schreiben mögen viele Stille Menschen gar nicht. Denn da muss man sich sehen lassen, sich ins beste Licht rücken und für sich werben. Dabei liegt uns diese Selbstdarstellung so gar nicht…

In ihrem Gastbeitrag zeigt uns die Expertin für’s Bewerben, Claudia Tetz-Froböse, wie eine Bewerbung gewinnt.


Wie du im Bewerbungsprozess als stiller Mensch überzeugst

Da überlege ich nun also seit Wochen, was ich dir, als Leserin des Stille-Stärken-Blogs, an sinnvollem Input rund um den Bewerbungsprozess liefern kann und verwerfe Idee um Idee, und dann entwickelt sich ausgerechnet der Kaffeeklatsch mit meiner (introvertierten) Freundin Lea zu einem Thema, das dich interessieren könnte.

Lea und ich sind seit Grundschulzeiten miteinander befreundet. Wir waren beide sehr stille Kinder, aber bei mir änderte sich das in der Pubertät rasant, bei Lea nicht. Wir schreiben beide viel und gerne und wir schreiben beide beruflich.

Lea hatte Germanistik und Pädagogik studiert, landete aber nie in der Schule, weil sie schon als Jugendliche in den Ferien im Büro des elterlichen Handwerksbetriebes mithalf und dort einfach hängen blieb. Vor einigen Jahren ergatterte sie mehr zufällig ihren Traumjob, weil sie als Leserin des Newsletters eines Online-Ausflugs-Magazins mitbekam, dass dort Teilzeit-Online-Redakteure gesucht wurden. Sie schrieb damals ganz spontan eine tolle Bewerbungs-E-Mail, führte ein Telefonat und hatte den Job. Das alles, ohne auch nur einmal im Vorstellungsgespräch gewesen zu sein. Den Chef lernte sie persönlich erst ein Jahr später bei einem gemeinsamen Redaktionstreffen kennen. Bei der Gelegenheit wurde sie zur Chef-Online-Redakteurin befördert, die seitdem regelmäßig Online-Meetings mit den acht Redakteuren, die in ganz Deutschland verteilt sind, veranstaltet und die Marschrichtung der nächsten Wochen vorgibt. So wurde der Teilzeitjob zum Vollzeitjob und der Handwerksbetrieb der Eltern ging an einen Nachfolger. Alles mühelos, eher zufällig und immer genau passend.

Genau so empfindet das auch Lea. Sie glaubt bis heute nicht, dass sie etwas besonders gut kann oder erfolgreich in ihrem Beruf ist. Sie führt das immer auf pures Glück zurück.

Dass sie den Handwerksbetrieb der Eltern komplett kaufmännisch führte, die Buchhaltung machte, die Pressemitteilungen schrieb, den gesamten Schriftverkehr wuppte, alle Termine disponierte, Registratur, Postein- und –ausgang koordinierte und den Kontakt zur Handwerkskammer hielt – alles Glücksache und nicht der Rede wert. Die in ihren Augen wirklich wichtigen Sachen – Kundenakquise und Durchführung der Handwerkstätigkeiten – machten ihre Eltern, damit hatte sie nichts zu tun.

Dass sie zur Chefredakteurin befördert wurde – Glücksache. Sie war halt die einzige Redakteurin, die spontan so viel Zeit aufbringen konnte. Dass der Chef aber nur sie gefragt hat und dies wohl kaum nur ein glücklicher Zufall war, beachtet sie nicht.

Dass sie in der Online-Redaktion die längsten und spannendsten Artikel schreibt, die am häufigsten gelesen werden und deren Verlinkungen viel öfter geklickt werden als die anderer Artikel – Glücksache.

Diese Vorgeschichte brauchst du, um das folgende Gespräch nachvollziehen zu können:

Lea: „Ich bin verloren!“

Claudia: „Häh, wieso das denn? Ist was Schlimmes passiert?“

Lea: „Noch nicht, aber das wird kommen. Ich brauch einen neuen Job. Dringend!“

Claudia: „Wieso das denn? Gefällt dir dein Redakteursleben nicht mehr?“

Lea: „Doch, das gefällt mir sehr, aber das Magazin soll verkauft werden und dann steh ich da.“

Claudia: „Ist das denn schon sicher? Vielleicht wirst du ja auch einfach übernommen?“

Lea: „Nein, das glaube ich nicht – warum sollte mich ein neuer Arbeitgeber übernehmen, ich hab ja nicht einmal eine gescheite Ausbildung.“

Claudia: „Bitte? Du bist nachweislich erfolgreich, schreibst super Artikel, koordinierst mit Leichtigkeit ein bundesweites Team, schaffst es, deine Leute sogar aus der Ferne zu motivieren und lieferst konstant hohe Klickzahlen. Natürlich wird der dich übernehmen. Er müsste ja blöd sein, wenn nicht. Und außerdem hast du ein abgeschlossenes Germanistik-Studium und einen kaufmännischen Hintergrund.“

Lea: „Ach, hör auf, du kennst doch meinen Werdegang. Alles irgendwie zusammengestückelte Zufälle und glückliche Fügungen. Was richtig Handfestes kann ich nicht vorweisen und dazu kommt dann auch noch, dass ich im Vorstellungsgespräch wahrscheinlich vor lauter Aufregung kein Wort rausbekomme.“

Claudia: „Lea, warum sollte das passieren? Du kannst doch einfach erzählen, was du bisher so gemacht hast. Und dass du bei einem Vorstellungsgespräch aufgeregt bist, ist doch nur natürlich, dass geht allen so.“

Lea: „Du hast gut reden, du machst so etwas mit Leichtigkeit. Du hast bisher noch jeden plattgequatscht. Aber ich kann das nicht. Dafür bin ich viel zu schüchtern und kann zu wenig und außerdem werde ich wahrscheinlich sowieso nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen. Bisher hatte ich immer Glück, aber das kann ja nicht ein Leben lang so weitergehen.“

Claudia: „Wer sagt das?“

Lea: „Claudia, jetzt mal ernsthaft, du würdest mich auch nicht einstellen mit meinem Lebenslauf, du würdest mich noch nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch einladen.“

Claudia: „Stimmt Lea, jedenfalls nicht, solange du dich so schlecht darstellst und alles nur auf Glück zurückführst. Wenn ich aber deine Leistungen sehe und deine äußerst korrekte und erfolgreiche Arbeitsweise betrachte, dann würde ich mich beeilen, dich anzurufen und einen Termin für das Vorstellungsgespräch zu vereinbaren, damit du mir nicht von der Konkurrenz weggeschnappt wirst. Du musst dein Können nur sichtbar machen.“

Lea: „Ja, ja – ich weiß: Bewerben heißt ‚Werben für sich selbst und Man muss sich gut verkaufen.‘ Ich kann so etwas aber nicht, ich finde es schrecklich, mich verkaufen zu müssen. Das will ich nicht!“

Claudia: „Ok, Lea – folgender Plan: Du schreibst einfach mal einen Lebenslauf, wenn du wieder daheim bist und schickst ihn mir, dann schauen wir weiter.“

Und natürlich war der Lebenslauf so, wie ich mir das bei Lea gedacht hatte. Super bescheiden, super sachlich, super kurz. Er sagt nichts über ihre eigentlichen Fähigkeiten aus. Völlig unverständlich, wenn man weiß, wie genial Lea schreiben kann.

Leas Lebenslauf – Hier nur einmal der Ausschnitt des Wesentlichen:

Seit 09.2004

Redakteurin beim Online-Magazin xyz, München

08.1990 – 08.2005

Bürokraft in der Schreinerei xyz, Duisburg

10.1985 – 05.1991

Studium Germanistik und Pädagogik,
Universität – GH – Duisburg
Abschluss M. A. 1991

08.75 – 05.84

Gymnasium ABC, Duisburg
Abschluss: Abitur

08.71 – 05.75

Grundschule, Duisburg


In dieser Form – da vermutet Lea schon ganz richtig – wird sie nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, denn für den Personalverantwortlichen ist überhaupt nicht ersichtlich, was Lea kann. Ok – er könnte im Zeugnis nachlesen, aber dazu müsste er erst einmal neugierig genug sein, um bis dorthin vorzublättern. Und neugierig machen diese wenigen Zeilen einfach nicht.

Wie kann sie es also besser machen?

Zuerst einmal sollte Lea sich Gedanken machen, wer ihre Unterlagen liest und mit welcher Zielsetzung. Nehmen wir einmal an, Lea bewirbt sich bei einem anderen Online-Magazin. Dann wird der Personalverantwortliche vermutlich folgende Informationen vom potenziellen neuen Mitarbeiter benötigen:

  • Berufserfahrung allgemein
  • Erfahrungen in der Branche
  • Erfolge in der Branche
  • Kenntnisse der EDV-Systeme on- und offline
  • Social Media Erfahrung
  • Ausbildung / Studium
  • Gehaltsvorstellungen
  • Führungserfahrung
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Teamfähigkeit
  • Stärken / Schwächen
  • Flexibilität
  • Konfliktfähigkeit
  • Verantwortungsbewusstsein
  • Selbstständiges Arbeiten
  • Organisationsgeschick

Bekommst du, als introvertierter Mensch, jetzt den Angstschweiß auf der Stirn, bei dem Gedanken, was du alles erzählen sollst?

Immer locker bleiben, noch musst du es erst einmal schriftlich erzählen. Und das diese Informationen für einen Arbeitgeber elementar sind, ist dir sicherlich klar. Natürlich soll eine freie Stelle bestmöglich besetzt werden. Dabei geht es aber nicht um den lautesten oder forschesten neuen Mitarbeiter, sondern um den fähigsten! Um eine Vorauswahl treffen zu können, benötigt der Personaler also o. g. Informationen.

Du möchtest wissen, wie das in Leas Fall aussieht? Du wirst staunen!

Berufserfahrung allgemein: Lea verfügt über 30 Jahre praktische Berufserfahrung, denn sie hat schon während des Studiums im elterlichen Betrieb gejobbt. Über einen längeren Zeitraum Studium und Arbeit zu kombinieren, erfordert Stressresistenz, Flexibilität, Kontinuität, Loyalität und Organisationstalent.

Es ist also ungemein wichtig, dass der Personaler dies erfährt.

Branchenerfahrung: Rund 12 Jahre Branchenkenntnisse bringt Lea mit. Das ist – gerade im Online-Geschäft – eine lange Zeit. Weiß man zusätzlich noch, dass Lea als Teilzeitkraft anfing und relativ schnell zur Vollzeit-Führungskraft wurde, wird schnell klar, dass sie außerordentlich gute Leistungen erbracht haben muss.

Wenn der Personaler dann noch wüsste, wie genau Lea arbeitet, welche Aufgaben sie tagtäglich erfüllt, dann würde er sofort zum Telefon greifen.

Lea arbeitet aus dem Homeoffice, organisiert einmal jährlich große Redaktionstreffen, bei dem Inhaber und Online-Redakteure die Jahreszielplanung durchgehen. Quartalsweise werden Online-Konferenzen mit den beteiligten Redakteuren durchgeführt und der tägliche Kontakt läuft über Skype, Adobe Connect, Trello, Evernote, E-Mail oder Telefon.

Das bedeutet, dass Lea sowohl Führungserfahrung hat und wieder einmal ihr Organisationstalent auffällt. Ein so großes dezentrales Team zu führen, erfordert ein besonderes Maß an Struktur, Kommunikationsfähigkeit (jetzt würde Lea in schallendes Gelächter ausbrechen) und Überzeugungskraft. Sie kann offensichtlich gut motivieren und scheint auch ein Teamplayer zu sein. Ob dies vor Ort in einem Team genauso funktionieren würde, ist nicht erkennbar.

Sie schreibt täglich mehrere Artikel mit Längen zwischen 1.500 und 10.000 Wörtern. Dabei beachtet sie SEO-Richtlinien und arbeitet mit einem Content-Management-System (CMS). Sie beherrscht Joomla, WordPress und Typo 3, bearbeitet die Bilder für ihre Artikel mit Adobe Photoshop und postet täglich bei Facebook, Instagram und Twitter. Sie schafft 75 % ihrer Twitter-Posts mit exakt 140 Zeichen (unglaublich !). Alles was mit Online-Marketing, Software oder Projektplanung zu tun hat, geht ihr offensichtlich leicht von der Hand. Sie kann das gesamte Office-Paket bedienen und dazu noch die gängigsten Adobe-Programme. Sie führt akribisch einen Redaktionsplan für das gesamte Team und ist auch noch für den wöchentlichen Newsletter verantwortlich.

Ihre Artikel werden bis zu 60.000 x pro Monat angeklickt, entsprechend erfolgreich sind Verlinkungen in ihren Artikeln.

Aus ihrer Bürozeit bei den Eltern bringt sie außerdem noch Buchhaltungskenntnisse mit und kann über unterschiedliche Holzarten ganze Bücher schreiben (das ist hier aber nicht relevant). Sie ist also außerordentlich lernfähig.

Glaubst du an dieser Stelle, dass Lea immer nur Glück hatte?
Glaubst du außerdem, dass sie Schwierigkeiten hat, einen neuen Job zu finden?
Glaubst du, dass es jetzt noch relevant ist, ob und welches Studium sie abgeschlossen hat?
Glaubst du, dass es ein Problem ist, dass sie introvertiert ist?

Ein großes, fettes NEIN!

Das Dumme ist nur – es weiß niemand. Wenn Lea ihren extrem dünnen Lebenslauf losschickt, kommt niemand auch nur annähernd auf die Idee, welch großes Talent sich dahinter verbirgt.

Also sollte Sie den Lebenslauf völlig anders schreiben und ordentlich aufpimpen.

Leas Lebenslauf aktuell:

Seit 09.2004

Chef-Redakteurin beim Online-Magazin xyz, München

  • Leitung eines Teams aus acht Redakteuren bundesweit
  • Verfassen von Artikeln unter Berücksichtigung von SEO
  • Regelmäßige Organisation und Durchführung von on- und offline Redaktionskonferenzen (online per Skype)
  • Aufbau und Pflege der Redaktionspläne unter Nutzung von Trello und Evernote
  • Regelmäßige SocialMediaPosts bei Facebook, Instagam und Twitter

75 % meiner Twitter-Posts haben exakt 140 Zeichen;
meine Artikel sind zwischen 1.500 und 10.000 Wörtern lang und werden bis zu 60.000 mal geklickt (siehe Zeugnis + Auszug Google Analytics)

08.1990 – 08.2005

Leitung des Büros der Schreinerei xyz, Duisburg

  • Kaufmännische Leitung
  • Pressearbeit
  • Erstellung von Marketingartikeln
  • Aufbau einer Webseite und eines SocialMediaAccounts des Handwerksbetriebes

Bereits während des Studiums regelmäßiger Teilzeit-Einsatz als Bürofachkraft

10.1985 – 05.1991

Studium Germanistik und Pädagogik,
Universität – GH – Duisburg
Abschluss M. A. 1991

08.75 – 05.84

Schulzeit, Duisburg
Abschluss: Abitur
Ab der 7. Klasse redaktionelle Mitarbeit in der
Schülerzeitung „Till Eulenspiegel“

Sonstiges

EDV-Kenntnisse (sehr gut – gut)

  • MS-Office-Paket + MS-Project
  • Adobe: Photoshop, Indesign, Muse, Creator, Connect
  • Content-Management-Systeme: WordPress, Joomla, Typo 3
  • Evernote
  • Trello
  • Skype
  • SocialMedia: Facebook, Instagram, Twitter, Xing

Wenn Lea jetzt noch ein spannendes Anschreiben verfasst, das den Personaler dazu bringt, den Lebenslauf zu lesen, dann ist ihr das Vorstellungsgespräch sicher.

Und spannend schreiben ist schließlich ihre leichteste Übung!

Was heißt das nun für dich?

Gerade als introvertierter Mensch hast du so viele tolle Stärken. Schau sie dir doch einmal genau an und überlege, wie du sie in deinem bisherigen Berufsleben eingesetzt hast. Frag dich vor der Bewerbung, welche deiner Fähigkeiten bei der ausgeschriebenen Stelle wohl am besten passt. Dann kannst du genau das im Bewerbungsanschreiben und dem Lebenslauf beschreiben.

Und du siehst an Leas Beispiel, dass es nicht darum geht, sich besser, schöner, größer zu machen, sondern die Tatsachen so zu präsentieren, dass sie gesehen werden. Das ist alles! Und es wirkt!

Geh DEINEN Weg.

Alles Liebe
Claudia


Claudia Tetz-Froböse begleitet als Coach und Autorin seit fast 30 Jahren Menschen auf dem Weg in einen (neuen) Job.

In ihren Büchern liefert sie Handwerkszeug für erfolgreiche Bewerbungen und Vorstellungsgespräche, Coachingübungen, die den Weg vom Beruf zur Berufung klären und sorgt mit humorvoll beschriebenen Praxisfällen für die nötige Leichtigkeit im Bewerbungsprozess.