Persönliche Entwicklung – wie macht man die?

von Christine Winter

07.11.2016

"Sie hat in den letzten paar Wochen eine ganz ordentliche Entwicklung gemacht", sagte die Lehrerin.
"Ihre Entwicklung in den letzten Monaten bietet langfristig Perspektive", sprach der Chef zur Einleitung des Mitarbeitergespräches.
"Die Patientin bleibt in ihrer Entwicklung hinter den Zielen im Therapie-Plan zurück", schrieb der Psychotherapeut in den Patientenbogen.


Ganz selbstverständlich gehen wir alle davon aus, dass man "eine Entwicklung machen" muss.

Das wird so erwartet.
Es ist ganz normal…

Eines von diesen "UNG-Wörtern"

"EntwicklUNG" ist ein Wort, das recht "schwurbelig" daherkommt. Oder weißt du ganz konkret, was gemeint ist, wenn jemand deine tolle Entwicklung lobt?

Solchen UNG-Wörtern begegnen wir ganz häufig, wenn die Aussage nicht so richtig konkret sein soll, aber trotzdem irgendwie gewichtig klingen muss.

Als ich noch in einer Behörde arbeitete, war mein Wortschatz voller "-UNGs":
Genehmigung, Belehrung, Untersagung, Einschränkung, Verwarnung, Bedingung, Bescheinigung…
(Kein Wunder, dass meine Kunden oft keine Ahnung hatten, was genau meine ErwartUNG an sie war…)

Im Alltag sprach ich von Leistung und Erschöpfung, von einer suboptimalen Ernährung, fehlender Erholung, von meinen Erwartungen an mich und andere…

Auf diese Weise habe ich vermieden, eine ganz klare Position kundzutun. Ich hatte keinen richtig konkreten Standpunkt. Denn so ein "-UNG" erlaubt es jedem, einer Aussage die Bedeutung zuzuschreiben, die für ihn stimmt.

Bis ich einfach ganz konkret sagen konnte, was ich meine, musste ich echt eine ganze Weile üben. (Und ich bin darin noch längst nicht so gut, wie ich sein möchte.)

Persönliche Entwicklung – was soll das denn sein?

Wenn ich an meine Entwicklung denke, dann denke ich daran, immer mehr von dem in mein Leben zu kriegen, was mir gut tut und was ich möchte – damit das, was ich weniger toll finde, weniger Raum einnimmt. Ich möchte meine Stärken leben, damit die Schwächen keine große Rolle spielen.

Was denkst du, wenn du an deine persönliche Entwicklung denkst?

Unsere Sichtweisen dazu können sich erheblich unterscheiden. Sie können sogar entgegengesetzt sein.

Ich finde das sehr wertvoll. Wir können da unsere ganz eigene BedeutUNG reinpacken. Und wenn wir uns dann darüber austauschen, können wir dadurch unsere BeziehUNG vertiefen…

Entwicklung = Veränderung

Vielleicht können wir uns auf diesen gemeinsamen Nenner einigen: Jede Entwicklung ändert etwas. Mal langfristig, mal sofort. Entwicklung heißt – für mich -, dass irgendwann etwas anders sein wird als vorher.

Nun gibt es zwei gute Gründe für Veränderungen:

  1. Wenn man muss…

    Das Leben ist da oft gnadenlos. Es stellt dich vor eine neue Situation und sagt: Mach mal.
    Du hast die Fähigkeiten und ßberzeugungen noch nicht, die du brauchst, um damit zurechtzukommen – also musst du dich zwangsläufig verändern.

    Und eine persönliche Entwicklung ist die logische Konsequenz eines ansonsten unlösbaren Problems.
  2. Wenn man will…
    ​
    ​Du musst gar nicht warten, bis dir das Leben ein Ultimatum für eine Veränderung stellt. Du kannst sie auch selber starten und in aller Ruhe Schritt für Schritt auf ein persönliches Ziel zugehen.
    Das gibt dir eine Menge VerantwortUNG. Und ganz viel Freiheit, du selbst zu sein.

Was soll dabei rauskommen?

Die Frage ist doch immer: Was willst du erreichen? Wer willst du werden? Welche deiner Stärken willst du stärken, damit die Schwächen weniger ins Gewicht fallen?

Ich hatte mehrmals in meinem Leben große, völlig überzogene Träume davon, wer ich mal sein würde. Mit acht oder zehn Jahren wollte ich Lehrerin werden. Später mit vierzehn, fünfzehn dann Psychologin. Noch ein paar Jahre später, so Anfang zwanzig, wollte ich als Führungskraft ein Einzelbüro, damit ich ungestört große Projekte leiten könnte.

Als ich diese Ideen hatte, waren sie völlig illusorisch:

  • Lehrerin werden, wenn man nicht vor Leuten reden kann…?
  • Psychologin werden ohne Abitur, dafür mit einem Haufen eigener Probleme?
  • Chefin werden, obwohl man nicht mal mit dem eigenen Chef einen entspannten Small-Talk hinkriegt? Und große Projekte leiten, wenn schon die kleine, überschaubare Sachbearbeitung regelmäßig zur Grenzerfahrung wird?

Kurz gesagt: Ich habe mich entwickelt und verändert. Ich habe Stärken entwickelt, die ich mir selber niemals zugetraut hätte.

Heute kann ich alle meine völlig überzogenen Träume als erreicht abhaken.

  • Ich arbeite als Dozentin. Das ist eine Lehrerin für Erwachsene.
  • Ich arbeite als Coach. Das ist Psychologische Begleitung für Gesunde.
  • Ich war acht Jahre lang Vorgesetzte und hatte ein Büro für mich alleine. Und die Projekte, die ich in der Zeit begleitet habe, waren riesig.

Träumen – zielen – ausprobieren

Die Schritte, die ich auf meine Traum-Ideen zu gemacht habe, waren oft unmerklich klein. Eher eine Art Sog, als ein konkretes Ziel.

Wenn ich dann erst mal ein richtiges Ziel vor Augen hatte, dann ging es schneller – aber damit wurde es anstrengender.

Und was für mich wirklich richtig war, wusste ich immer erst, nachdem ich es ausprobiert hatte.

Hast du Lust auf ein Experiment?

Was hältst du davon, eine (sehr kleine, überschaubare) persönliche Entwicklung mal für einen Tag "probezutragen"?

Klein sollte sie sein, damit du schnell merkst, ob sie passt. Denn bei großen Veränderungen dauert es oft länger, bis du ein Ergebnis erkennen kannst.

  • Such dir also eine kleine Stärke aus, die du haben möchtest. Sowas, wie Freude, Geduld, Mut, Neugier, Abenteuerlust, …
  • Mach für dich konkret, was daran die besondere Stärke für dich ist. Also ohne -UNGs, -HEITs und -KEITs, dafür mit deinen konkreten Beispielen.
  • Stell dir vor, du könntest in ein Kaufhaus spazieren und dir dort deine Stärken aus den Kleiderständern und Regalen aussuchen.
  • Du nimmst also drei, vier Stärken, von denen du glaubst, dass sie dir gut stehen könnten, mit in die Umkleidekabine und schlüpfst mal eben schnell rein. Wenn sie dir passen, dann drehst du dich vor dem großen Spiegel hin und her und schaust, ob sie auch gut sitzen.
  • Und dann triffst du deine Auswahl. (Wenn"s schwer fällt, nur eine Stärke mitzunehmen, kannst du die anderen ja so lange zurücklegen, um sie bei Bedarf später abzuholen.)
  • Schlüpf doch einfach in dein eines absolutes Lieblingsteil gleich rein und geh damit in deinen Alltag. Wenn du sie noch ein bisschen eintragen musst, bevor du dich wirklich wohl damit fühlst, dann ist das ganz normal. Fallst du aber bemerkst, dass sie mit der Zeit immer unbequemer wird, dann bringst du sie ins Stärken-Kaufhaus zurück und tauschst sie um in ein passendes Exemplar.
  • Und bitte vermeide es, ins "Stärken-Shopping-Fieber" zu verfallen. Immer schön eine Stärke nach der anderen in den Alltag nehmen. Sonst weißt du ja gar nicht, welche es nun genau war, die in der Taille bei längerem Tragen zu kneifen anfängt…

Entwicklung, wie macht man die?

Die Eingangsfrage war, wie man eine persönliche Entwicklung macht.

Meine Antwort ist: Reinschlüpfen, anprobieren, im Alltag probetragen und dann entscheiden, ob sie passt.

Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine

Christine

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  1. Den Gedanken finde ich nett – und auch hilfreich: Stärken probezutragen wie Kleidung :). Das kann ein umsetzbarer Anfang für eine Entwicklung sein. Was könnte ich probeweise tragen? Ich such mir Fröhlichkeit aus (auch ein Wort mit -keit, macht aber nichts), da ich ein ziemlich ernsthafter Mensch bin. Aber mit manchen Dingen im Alltag könnte ich spielerischer umgehen. Danke für die Anregung!

    1. Dass Fröhlichkeit auf -keit endet, macht dann nichts, wenn du eine ganz konkrete Vorstellung davon hast, wie deine persönliche Fröhlichkeit ist.
      Denn wenn du dem Begriff deine eigene Bedeutung gibst, dann ist er ja nicht länger „schwurbelig“, sondern er sagt für dich ganz exakt das, was du möchtest.
      Viel Freude beim Anprobieren. 🙂

      (Übrigens: Accessoires je nach Tages-Laune sind ausdrücklich erlaubt. 😀 )

  2. Ohne jetzt an Begriffen herum basteln zu wollen, verstehe ich „Entwicklung“ als eine eher positive Veränderung, auf die ich in irgendeiner Weise Einfluß nehmen kann, während „Veränderung“ ständig passiert, auch ohne mein Zutun und in beide Richtungen offen, aber nicht unbedingt gesteuert oder zielgerichtet ist, d.h. sich etwas auch verschlechtern kann. Bei einer „Entwicklung“ bin ich also immer beteiligt, bei einer persönlichen Entwicklung natürlich sowieso. Insofern würde ich zustimmen und sagen Entwicklung= Veränderung, aber Veränderung nicht unbedingt eine Entwicklung. Und jetzt gehe ich mir ein paar kleine Stärken überlegen…

    1. Das ist eine interessante Überlegung, Susanna.
      Für mich umfassen beide Begriffe die Möglichkeit, sowohl zum beabsichtigten als auch zum unerwünschten Resultat zu führen.
      Wenn ich unter dieser Vorannahme persönliche Entwicklung und persönliche Veränderung vergleiche, empfinde ich das als deckungsgleich. Ich gebe aber gerne zu, dass man das auch anders betrachten kann.

      Ich glaube, was du ansprichst, sind die von außen kommenden Veränderungen, auf die man persönlich keinen Einfluss nehmen kann (oder jedenfalls davon überzeugt ist, dass sie unabänderlich sind). Dann ist der Vergleich mit persönlicher Entwicklung natürlich nicht möglich.

      Viel Freude mit der kleinen Stärke deiner Wahl. 🙂

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