Das ziellose Jahresanfangs-Experiment habe ich mittlerweile für erledigt erklärt. Die guten Gründe für Ziele und eine gewisse Planung überwiegen bei weitem deren Nachteile. Und somit überlege ich mir nun wieder für jeden Tag, was ich alles erledigen werde.
Im Grunde gibt es nur einen wirklich lästigen Aspekt von konkreten Zielen:
Wenn ich sie erst mal irgendwo notiert habe (Pinnwand, ToDo-Liste, Kalender, Einkaufszettel etc.), dann erinnern sie mich permanent gnadenlos daran, dass sie nicht erledigt sind.
Nicht aufschreiben ist allerdings auch keine Lösung. Denn alles, was unerledigt und nirgends festgehalten ist, blockiert Speicherplatz im Hirn.
Und dann kommt mal eben das Leben dazwischen
Während am Montag gegen Mittag der durchaus vernünftige Plan für diese Woche in einer durchaus vernünftigen Reihenfolge auf einer beachtlich langen ToDo-Liste notiert ist, klingelt das Telefon.
Ein Auftrag für zwei zusätzliche Seminartage mit meinen Lieblings-Teilnehmern – juhuuu!
Und zwar morgen und übermorgen. Öööhm… Morgen schon? Im Ernst?
Ups. Aus der Traum von der entspannten Wochenplanung.
Spontane Stress-Attacke: Kann ich das schaffen? Seminarvorbereitung für zwei Tage – bis morgen früh um fünf? Und dann hinfahren, Seminarraum vorbereiten, Seminar halten, zurückfahren, schnell schlafen, wieder hinfahren, Seminar halten, Seminarraum aufräumen, zurückfahren. Und dann auch noch bei dem Winterwetter… Schaff‘ ich das…?
Ja, ich schaffe das.
1. Perfektionismus ade!
Für die große Vorbereitung wird die Zeit niemals reichen, soviel steht zweifelsfrei fest. Ich kenne zwar die ganzen Inhalte, aber diesen speziellen Workshop habe ich noch nie gehalten. Und außerdem springe ich mitten ins laufende Seminar, weil der Kollege ganz kurzfristig heute Nachmittag ausgefallen ist. Ich weiß nicht mal genau, was er schon erklärt hat und was nicht.
Was kann ich also tun? – Schnelle Bestandsaufnahme der Unterlagen, die ich aus anderen Seminaren vorrätig habe und ein schneller Blick auf die PowerPoint-Folien des Kollegen. Einen Teil kann ich verwenden, den Rest muss ich wohl improvisieren. (Das mache ich eigentlich eh am liebsten – aber mein Perfektionismus würde das unter normalen Umständen niemals zulassen.)
2. Raus an die frische Luft!
Es hat gar keinen Sinn, jetzt am Schreibtisch sitzen zu bleiben. In meinem Kopf geht’s drunter und drüber während ich die Wochenplanung gedanklich verabschiede und mich nur noch auf unabänderliche Notwendigkeiten konzentriere.
Bewegung, Sauerstoff und ein bisschen Sonnenschein ist definitiv die bessere Idee – und während ich durch den Pulverschnee stiefele, kann ich schon mal überlegen, wie ich die vielen Themen vielleicht sinnvoll auf die zwei Seminartage verteilen könnte.
3. Essen.
Frische Luft macht hungrig. Und Hunger macht unkreativ.
Kochen und essen hat also erst mal Priorität.
Mittlerweile hat sich die Stress-Attacke komplett verflüchtigt. Ich bin entspannt, gut gelaunt und voller Ideen für morgen.
(Und eine spontane Idee für diesen Blogartikel hier hat sich glatt auch noch eingefunden.)
4. Alles vorbereiten, was auf die Schnelle vorzubereiten ist.
Die Sachen, die ich aus früheren Seminaren wiederverwerten kann, liegen für morgen parat. Auf dem Notebook sind allerlei Notizen zu Themen, die ich eher selten verwende – aber die ich notfalls in einer Minute aufrufen kann, falls ich sie morgen doch brauchen sollte. Die Stifte und Trainerutensilien sind vom letzten Training noch in der Tasche – kurzer Check… Super, alles Nötige ist da.
Ich genieße jetzt die Vorfreude – ohne schlechtes Gewissen
Seit dem Anruf meines Auftraggebers sind fünf Stunden vergangen. Der Stress ist komplett weg und ich freue mich sehr auf den Workshop morgen. Ich habe keinen detaillierten Plan, aber ich weiß, dass alles vorbereitet ist, was in Anbetracht des kurzfristigen Auftrages möglich ist. Und außerdem wird es um Themen gehen, die mich sehr interessieren – darüber könnte ich jederzeit auch ohne Vorbereitung stundenlang erzählen…
Sicher – ich hätte jetzt noch den ganzen Abend und die halbe Nacht Zeit, um an einem Skript zu basteln oder eine detaillierte Beamerpräsentation zu erstellen oder meine handgeschriebenen Flipcharts zu perfektionieren.
Aber heute pfeif‘ ich auf Perfektion.
Das ist der Plan. 🙂
Was denkst du über Unperfektionismus? Wenn du die Wahl hättest zwischen Perfektion und Stress oder entspanntem Improvisieren mit Mut zur Lücke – was würdest du wählen?
Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine

…und dann hast du auch noch Zeit, dieses Blog zu schreiben! So entspannt wie du jetzt bist, wird das morgen sicher ein tolles Seminar! Geniesse es!
Ja, es war tatsächlich ein tolles, entspanntes Seminar. Ich hab‘ zwar ein paar Punkte vergessen, die ich bei besserer Vorbereitung auf jeden Fall eingebaut hätte – aber die Teilnehmer wussten ja nicht, dass es da noch mehr zu sagen gegeben hätte. 🙂
Würde wohl Perfektion und Stress wählen. Weil ich meine, dass ich das „muss“.
Deine Wahl gefällt mir aber um Längen besser 🙂 Schön, dass es so entspannt dann auch geklappt hat.
Wenn ich mir „sicher“ bin (was nicht so häufig vorkommt) – gehts auch mal anders.
Ich find’s wichtig, dass wir uns immer wieder bewusst machen, dass wir wählen können.
Und ich finde es total spannend, dass du auf Perfektionismus verzichten kannst, wenn du „dir sicher bist“. Ich glaube nämlich, dass viele Leute etwas ähnliches von sich sagen würden – und da frage ich mich: Wie wird man sich denn sicher genug, um sich entspannen zu können?
Ja – das bewusst machen kann vielleicht auch helfen, trotz des „Stress-Drangs“ sich zu fragen bzw. zu entscheiden, dass jetzt was Anderes wichtiger/richtiger ist.
Bei mir ist es, denke ich, eine tief verwurzelte Unsicherheit, die gar nicht erlaubt einen anderen Weg zu gehen. Wenn man in sich als Persönlichkeit sicherer wird – dann kann man vielleicht auch den entspannten Weg gehen.
Ein anderer Faktor ist Erfahrung. Wenn ich mir meiner Sache sicher bin – und z.B. erlebt habe, dass etwas nur „Show“ ist oder wie eine bestimmte Sache funktioniert – kann ich auch bei vermeintlichen „Experten“ locker lassen. Mal – nicht „liefern“; hinterfragen; sagen „das sehen wir dann“ etc. (was meiner üblichen Habacht-Stellung eigentlich komplett widerspricht) ist dann relativ einfach.
Loslassen…. Einfach loslassen