Da ist jemand, der sagt nichts.
Den ganzen abend schon.
Kein Wort.
Er steht da drüben, allein.
Guckt nicht unfreundlich, aber auch nicht so, als würde er Kontakt suchen.
Er macht mich neugierig, weckt mein Interesse.
In meinem Kopf fangen Gespräche an, ich denke mir Dialogfetzen aus…
Und zugleich stelle ich fest: Ich traue mich nicht.
Traue mich nicht, auf ihn zuzugehen.
Was sollte ich auch zu ihm sagen?
Er wirkt so fern, so distanziert, so… zufrieden???
Kommunikation – was ist das?
“Kommunikation ist Austausch”
So weit, so klar, nicht wahr?
Du tauschst dich also mit jemandem aus. – Häh?
Wie geht das denn? Sich austauschen, das hieße ja wörtlich genommen, dass du dann der andere wirst und der andere wird du.
Ah, verstehe: Du tauschst natürlich nur Informationen mit jemandem aus.
Und was meint jetzt “Informationen”?
Ein Wort ist eine Information, ganz klar. Je mehr Worte, desto mehr Information. Oder?
Was ist mit einem Blick? Ist ein Blick eine Information?
Und eine Handbewegung? Ist eine Geste eine Information?
Die Körperhaltung? Der Kleidungsstil? Die Menschen, von denen man umgeben ist? Die Umgebung, in der man sich aufhält?
“Kommunikation ist eine soziale Handlung”
Das ist aber jetzt einfach: Sozial heißt, dass mindestens zwei Menschen miteinander umgehen und auf einander reagieren.
Also wenn sich zwei Menschen unterhalten.
Und wenn sich ein Mensch mit seiner Katze unterhält…?
Und wenn sich ein Mensch mit sich selbst unterhält?
Und wenn sich ein Mensch von seinem Fernseher unterhalten lässt?
“Kommunikation ist die Übertragung von Signalen”
Wo wir gerade bei der Kommunikations-Technik sind: Ist nicht alles, was per Datennetz kommt, Kommunikation? E-Mail, Twitter, Podcast, Youtube, Fernsehen, Online-Zocken, Whatsapp…
Unpersönlich? Ja schon – aber definitiv Information.
Mir persönlich von Zeit zu Zeit zu viel Information. Und zu wenig persönlich.
“Kommunikation ist das, was du mir mitteilen willst”
Persönlich oder digital – egal. Auf den Inhalt kommt es an. Und über den entscheidet derjenige, der etwas mitteilen will. Oder?
Na ja, die meiste Zeit entscheiden wir nicht unbedingt, was wir an Informationen geben. Jedenfalls nicht in allen Einzelheiten. Das wäre viel zu anstrengend.
Unsere Gehirnkapazitäten für bewusste Entscheidungen sind recht begrenzt. Deswegen läuft vieles als Gewohnheit oder Routine “auf Autopilot”. Für Gesprächssituationen gilt daher, dass sie umso entspannter sind, je öfter sie geübt wurden – weil dann der Autopilot fast alles an Routine-Entscheidungen für dich übernehmen kann und du dich auf deine Aussage und dein Gegenüber konzentrieren kannst.
“Kommunikation ist das, was bei mir ankommt”
Und auch das ist mir in weiten Teilen nicht bewusst. Ich nehme es nur als “Gesamtpaket” wahr, ohne dass ich die Details mitbekomme.
Der schweigende Typ da hinten hat mich dazu gebracht, ihn zu beobachten. Dabei ist mir gar nicht so klar, was meine Aufmerksamkeit anzieht – vielleicht ist es sein nachdenklicher Gesichtsausdruck, vielleicht seine leicht abgewandte Körperhaltung. Kann auch sein, dass mir sein getupftes Poloshirt aufgefallen ist. Oder die modische Brille.
Fest steht, dass ich eine ganze Menge Informationen über ihn aufgenommen habe, ohne überhaupt darauf zu achten. Und dass ich daraus und aus meinen Erfahrungen eine ziemlich genaue Vorstellung habe, wer er ist. Ich habe eine Idee davon, welchen Beruf er hat, womit er sich gerne beschäftigt, ob er viele Freunde hat, welche Musik er mag…
Mich hat er jedenfalls zum Nachdenken angeregt. Über Kommunikation, über das Sprechen und das, was ich ohne Worte verstehe.
Dabei sagt er den ganzen Abend nichts. Kein Wort.
Wenn du meine Gedanken interessant findest oder wenn du eine ganz andere Ansicht hast und dich gerne darüber austauschen möchtest, dann freue ich mich über einen Kommentar von dir, damit wir gemeinsam mehr über das Sprechen und das Schweigen erfahren.
Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine