Jammern… – Wozu braucht’s das?

Christine Winter // Kommunikationsprobleme

4. Mai 2015  

Ist Jammern nützlich?
Sinnvoll?
Oder gar notwendig?

In den letzten Tagen bin ich immer wieder auf diese Fragen gestoßen.
Im Austausch auf Facebook, in Mails und auch in anderen Blogs, die zur Zeit eine Jammerfreie Zone eingerichtet haben, ist mehrfach die Frage nach dem „Sinn des Jammerns” aufgetaucht.
Das ist ein guter Grund, um mir darüber einige Gedanken zu machen…

Jammern verbindet. Oder?

Du triffst jemanden. Fragst: „Na, wie läuft’s so?” Und bekommst zur Antwort, dass es schon mal besser war. Dass gerade heute alles schief geht. Und dass überhaupt die Situation in letzter Zeit ziemlich schwierig geworden ist. Dafür hast du vollstes Verständnis, denn dir geht es genauso.

Ja, Jammern verbindet. Weil du Gemeinsamkeiten mit deinem Gesprächspartner findest und dich mit ihm darüber austauschst.

Der Austausch funktioniert allerdings auch ganz ohne zu jammern mit jedem erdenklichen Thema, sobald es dir gelingt, einen guten Draht zu deinem Gegenüber aufzubauen. Es macht sogar noch viel mehr Freude, wenn du dich über schöne Erlebnisse, Erfolge, lustige Ereignisse etc. unterhältst.

Gemeinsamkeiten verbinden. Und erfreuliche Gemeinsamkeiten machen ganz nebenbei auch noch gute Laune.

Jammern gibt ein gutes Gefühl. Oder?

Wir Menschen werden nun mal gerne gesehen und bemerkt.
Wer jammert, hat etwas zu sagen. Und wer lautstark jammert, bleibt nicht unbemerkt.

Komischerweise macht es mir viel weniger aus, wenn ich durch mein Jammern auffalle, als wenn ich mit einem schönen, wissenswerten oder spannenden Thema im Mittelpunkt stehe.
Positiv aufzufallen braucht mehr Mut! Ist das nicht seltsam?

Ich kann dir sagen, dass es ein ganz großartiges Gefühl macht, einem Gesprächspartner oder mehreren Zuhörern meine Begeisterung zu zeigen und meine Lebensfreude. Da kann Jammern nicht mal ansatzweise mithalten.

Jammern füllt leere Gespräche. Oder?

Ich ertappe mich gelegentlich dabei, eine wirkliche Jammertirade loszulassen, wenn ich nicht möchte, dass ein Gespräch zu persönlich wird. Ich beschwere mich über Gott und die Welt nach dem Motto „Hauptsache, die Luft scheppert.”

Ist es nicht herrlich, das man endlos jammern kann, ohne etwas persönliches über sich auszusagen?
Viel zu viel Arbeit, schon seit Wochen! Bahnstreik, so ein Mist. Lauter doofe Kunden heute. Wetter zu kalt, zu nass, zu warm, zu sonnig…

Das kommt sehr sachlich und verbindlich rüber und hält das Gespräch in Gang, weil der andere sich ganz von alleine in seine eigenen bejammernswerten Beispiele hineinsteigert und gerne bereit ist, deine negativen Aussagen zu übertrumpfen.

Ganz ehrlich? Solche „Gespräche” machen deinen und meinen Tag nicht besser.
Wenn es nichts nützliches oder angenehmes zu sagen gibt, dann kannst du auch einfach still sein. Das ist vielleicht die schönste aller Stillen Stärken. 😉

Jammern erleichtert. Oder?

Wenn man bedenkt, wie viel Energie Menschen ins Jammern investieren, sollte man meinen, dass es sich total positiv auswirken müsste.

Tatsächlich wirkt es entlastend, alles auszusprechen, was du im Augenblick doof findest. Wenn du dich allerdings dann an diesem Thema festbeißt, dann erscheint es dir schnell immer größer und wichtiger. Und die Menschen, denen du davon erzählst, teilen deine Meinung und bringen zusätzlich noch ihre eigenen Jammer-Gedanken mit ein. So beweist ihr euch gegenseitig, dass alles noch viel schrecklicher ist als ursprünglich gedacht.

Jammern erleichtert tatsächlich – aber nicht, indem du es zum Gesprächsthema machst. Sondern, indem du alle deine Jammer-Gedanken auf einen Zettel notierst, so dass sie nicht länger in deinem Kopf kreisen müssen. Meistens verändert sich deine Einstellung zu den Jammer-”Fakten” schon im Moment des Aufschreibens. Und wenn du einen Gedanken noch weiter hinterfragen möchtest, dann ist es gut, ihn so aufgeschrieben vor dir zu haben.

Sobald du für dich die Jammerthemen geklärt hast, brauchst du sie niemandem mehr zu erzählen. Und – das ist noch viel besser – du brauchst sie auch nicht endlos in Gedanken zu wiederholen.

Jammern ist der erste Schritt zur Veränderung. Oder?

Denkst du, dass du etwas ändern wirst, wenn du dich lange genug darüber beschwert hast, dass es so nicht weitergeht?
Ich gebe zu, dass ich immer wieder auf diese Idee hereinfalle…

Wenn ich mir selbst und anderen nur lange genug mit meinem Problem auf die Nerven gehe, dann… Ja, dann werde ich etwas ändern. Ganz bestimmt… Ich muss nur lange genug darüber jammern!

Jetzt mal ehrlich – das ist unglaublicher Blödsinn. Ich habe Jahre damit verbracht, mich selber vollzujammern. Wenn die ganze Energie für’s Jammern und Gedankenkreisen draufgeht, ist das eine großartige Ausrede dafür, nichts zu ändern.
Gerade vorhin habe ich in einem Blogartikel folgenden Satz entdeckt:

Verbringe nie mehr als 10 Prozent deiner Zeit mit einem Problem.

Investiere lieber 90 Prozent in die Lösung. 

Karin Wess // karinwess.com

Irgendeinen Sinn wird Jammern schon haben. Oder?

Bestimmt.
Allerdings keinen, den du nicht auch ohne Jammern erreichen könntest.

Also. Nimm JETZT einen Zettel und einen Stift und notiere alle, wirklich ALLE Jammer-Gedanken, die dir einfallen.

Auch wenn du das schon einmal gemacht hast, mach es ruhig nochmal. Denn wenn du den Jammer-Gedanken zum ersten Mal Raum gibst, dann melden sie sich womöglich zunächst viel deutlicher zu Wort. Indem du sie dann aus deinem Kopf auf den Zettel bringst, machst du sie konkret. Und wer weiß, vielleicht willst du ja doch mal an einer Lösung für ein Thema arbeiten, das sich immer wieder meldet.

Oder du setzt einen klaren Jammer-Stop, mit dem du das Grübeldenken unterbrichst und handlungsfähig wirst.

 

Sei du selbst (ohne zu jammern), lass die anderen anders sein.
Deine

Christine

PS: Die jammerfreie Zeit hier im Stille-Stärken-Blog geht noch bis zum 10. Mai. Du hast also reichlich Zeit, weiter zu experimentieren, wie du ganz ohne Jammern klarkommst.

Jammerfreie Zone