Darf ich mich vorstellen? (2)

Christine Winter // Persönliche Entwicklung

7. März 2016  

In Teil 1 hatte ein „Arbeitnehmer“ entschieden, welche Arbeit er sucht.

Und ein „Arbeitgeber“ hatte in einer Ausschreibung notiert, welche Arbeit er abgibt.

Ich sehe es aber lieber so:
Der eine möchte etwas tun und seine Stärken einsetzen und erleben, dass das für andere Menschen Sinn und Bedeutung hat.
Der andere braucht Hilfe, um den Zweck seines Unternehmens zu erfüllen und hofft darauf, jemanden zu finden, für den das Sinn und Bedeutung hat und dessen Stärken so gut wie möglich zu den Aufgaben passen.

Wenn’s zusammenpasst: Bewerbungsschreiben schreiben.

Und dann: Warten auf die Antwort.

4. Die wollen mich bestimmt gar nicht.

In dem Moment, in dem die Bewerbungsunterlagen im Briefkasten liegen oder die E-Mail abgeschickt ist, ist der Gedanke da:

„Jetzt habe ich mich so angestrengt, in meiner Bewerbung mit allem, was ich bieten kann, zu werben. Was, wenn die mich nicht wollen?

Ich weiß ja gar nicht genau, ob das, was ich über mich geschrieben habe, wirklich das ist, was die suchen. Und so hundertprozentig passt mein Lebenslauf auch nicht zur Stellenanzeige. Und dass ich eine besondere Schriftart im Anschreiben verwendet habe – das war auch viel zu frech…

Nee, die wollen mich bestimmt gar nicht.“

Nicht gewollt zu werden ist eines der Gefühle, die ich am allerwenigsten aushalten kann. Ich weiß nicht, ob du solche Momente auch kennst – und wie es dir dabei geht.
Ich möchte mich am liebsten unter meiner Bettdecke verkriechen und nie wieder raus müssen. Ich fühle mich wie ein Kind, mit dem keiner spielen will…

Und es dauert oft ganz schön lang, bis sich der Empfänger der Bewerbung meldet. Drei, vier Wochen sind normal – es kann aber auch schon mal zwei Monate und noch länger dauern.

So lange habe ich dann doch nicht Zeit, mich im Bett zu verkriechen und daran zu zweifeln, dass ich die richtige für den Job bin, für den ich mich entschieden hatte.

Wäre es nicht sinnvoller, einfach so zu tun, als ob sich der Empfänger der Bewerbung längst entschieden hat, dass sich die Bewerbung hochinteressant liest. Er hat nur dummerweise noch keine Zeit gefunden, sie zu beantworten und einen Termin für’s persönliche Kennenlernen festzulegen.

Hey, es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass genau das der Grund ist. Warum also deprimiert in Selbstzweifeln versinken? Solange alles offen ist, gibt’s keine vernünftige Begründung, sich selbst etwas vorzujammern.

Ich weiß, dass es sich wie Selbstbetrug anfühlt, wenn man so tut, als ob man den Job bereits in der Tasche hat.

Aber so zu tun, als ob man den Job nicht gekriegt hat, ist genauso Selbstbetrug. Und diese Version macht obendrein noch Frust und schlechte Laune.

5. Ups. Vorstellungstermin. Was mach ich nun?

Und dann plötzlich kommt ein Anruf, eine E-Mail oder ein Brief mit einem Terminvorschlag: „Wir würden Sie gern am soundsovielten näher kennenlernen.“

Au, verflixt, jetzt wird’s ernst. Plötzlich fühlt sich die ganze Selbszweiflerei rund ums Bewerbungsschreiben und die Wartezeit nur noch wie ein gemütliches Vorgeplänkel an.

Die Gedanken rasen:

Wie bereite ich mich vor? Was muss ich unbedingt wissen? Was werden die mich fragen? Was für – möglichst viel Interesse bekundende – Fragen muss ich stellen? Und was interessiert mich außerdem noch?

Wie komme ich möglichst entspannt zu dem Termin? Und was um Himmels Willen soll ich nur anziehen?

Stop!

Atmen!
Und gleich noch einmal.

Es gibt mit Sicherheit ein paar Dinge, die dich ehrlich interessieren. Und du hast ja noch eine Weile, um dir alles, was dir so einfällt, zu notieren.

Während du nochmal die Internetseite deiner neuen Firma durchstöberst, fallen dir bestimmt noch weitere Themen ein, über die du mehr wissen möchtest. Und wenn du schon am Internet-Recherchieren bist, kannst du gleich herausfinden, wie du eine entspannte Anreise organisierst. Außerdem gibt dir die Homepage einen Eindruck, wie lässig oder streng die Firma nach außen wirkt – das gibt dir sicher Ideen, welche Kleidung passen könnte.

Mach dir keinen Kopf darüber, was von dir erwartet wird. Erstens kannst du das eh nicht vorhersehen. Und zweitens blockiert dich das total und lässt dich steif und „auswendig gelernt“ erscheinen.

Konzentriere dich auf dich – da musst du nicht viel einstudieren, weil du dich ja seit Jahren kennst. Und wenn dich der Job ehrlich interessiert, dann wirst du genau richtig wirken.

6. Ein Gespräch ist ein Gespräch – stell dir vor. 🙂

So ein Vorstellungstermin hat genau ein Ziel: Im persönlichen Gespräch herausfinden, ob man gegenseitig zueinander passt. Und da du über die Erwartungen deiner Gesprächspartner bestenfalls spekulieren kannst, ist dein Ziel vor allem, herauszufinden, ob die Firma und die Aufgabe ZU DIR passen wird.

Wenn du das ungute Gefühl hast, dass du dich als Person komplett verbiegen musst, um die Erwartungen zu erfüllen, dann ist das nicht DEIN Job.

Wenn du hingegen das ungute Gefühl hast, dass du noch verdammt viel lernen musst, damit du den Job ausfüllen kannst, dann ist das noch lange kein Grund, warum es nicht dein Job sein sollte.
Es ist allerdings klüger, deinen Lernbedarf zuzugeben, als mit Pokerface so zu tun, als ob du das alles mühelos wuppen würdest. Arbeitgeber mögen Leute, die sich weiterentwickeln wollen. Und wenn nicht, dann ist das nicht DEIN Job.

Es kommt nicht darauf an, wie sehr du die Stelle brauchst. Es kommt darauf an, ob die Stelle und die Firma für dich die richtige ist. Der Trick im Vorstellungsgespräch ist daher, dich so zu zeigen wie du bist, und dabei so gut wie möglich auszusehen.

Das geht. Es macht sogar Spaß.

Und wenn ein Gespräch mal doof verläuft, dann weißt du in Zukunft noch besser, was du nicht willst. Dann hat’s halt für beide Seiten nicht gepasst.

Das ist nichts Persönliches. Du bist okay. Immer.

Natürlich ist nicht jeder Job für dich richtig – das hieße ja, dass du dich in jede beliebige Form pressen ließest. Er passt eben zu jemand anderem. Und der Arbeitgeber muss weiter suchen, um diesen Mitarbeiter zu finden.

Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine

Christine

Das war der zweite Teil der Mini-Serie
"Auf dem Weg zum neuen Job"

Teil 3 behandelt die Frage:

Wenn die dir den Job anbieten - wie entscheidest du dich dann?