Wahrnehmung = Wirklichkeit (Oder etwa nicht???)

Christine Winter // Persönliche Entwicklung

28. Juli 2014  

Wenn man etwas mit eigenen Augen gesehen hat, mit eigenen Ohren gehört oder eigenhändig angefasst hat, ist es wahr. Es gibt schließlich nichts Verlässlicheres als die eigenen fünf Sinne.

Eigenartig, dass uns trotzdem immer wieder Miss­ver­ständ­nisse und Meinungs­verschieden­heiten über das, was wir wahrnehmen, begegnen. Lass mich dir dazu eine kleine Geschichte erzählen...

Einst war irgendwo ein Land, in dem ein junger König lebte. Er hatte von großen fremdländischen Tieren namens „Elefanten“ gehört und wollte nun alles darüber erfahren. Da er selbst nicht auf Reisen gehen konnte, schickte er vier der weisesten Männer seines Reiches los – allesamt hochbetagt und schon erblindet, aber anerkannt für Ihre Weisheit und ihre Sachlichkeit.

Die vier alten Männern ließen sich in Indien zu einem Elefanten bringen. Und um nicht auf Erzählungen von anderen Reisenden angewiesen zu sein, beschlossen sie, den Elefanten zu betasten und zu erspüren, um anschließend dem König ihre eigenen unverfälschten Erfahrungen überbringen zu können.

Nach ihrer Rückkehr erzählte der erste Greis, der ein Bein des Tieres ertastet hatte: „Ein Elefant ist wie eine Säule, die fest und unverrückbar auf der Erde steht und von dort rund und massiv nach oben strebt.“

Der zweite, der am Bauch des Elefanten gestanden hatte, erklärte, dass der Elefant wie eine Walze war, groß und rund und höher als ein aufrechter Mensch.

Der dritte Greis meinte, der Elefant sei wie ein Schlauch. Lang und flexibel. Denn er hatte den Rüssel berührt.

Der letzte Alte war sich sicher, dass ein Elefant glatt und hart und spitz zulaufend ist. Ein bisschen wie ein Speer. Er war zu einem der Stoßzähne geführt worden.

Der König aber bedauerte, die vier Weisen auf die lange Reise geschickt zu haben. Denn er wusste immer noch nicht, was ein Elefant ist.

Jeder hat die Wahrheit ausgesprochen. Die persönliche Wahrnehmung.

Keiner hat gelogen oder getäuscht oder etwas falsches erzählt.

Jeder hat seine feste Überzeugung mitgeteilt.

Und doch belächeln wir, die wir zu wissen glauben, was ein Elefant ist, ihre Bemühungen.

Noch ein Gedanke dazu:

Ein Kind würde eher das Bein des Elefanten wahrnehmen oder den Rüssel. Wir Erwachsenen hingegen den Rücken oder die Ohren.

Wie oft beurteilen wir eine kindliche Wahrnehmung als falsch, ohne daran zu denken, dass das Kind nicht mit uns auf “Augenhöhe” ist und daher zwangsläufig einen anderen Blickwinkel hat?

Drei Tatsachen über die Wahrnehmung

Sinnesorgane mit Einschränkungen

Unsere Sinne helfen uns, uns in der Welt zu orientieren. Wir sehen, hören und tasten, wir riechen und schmecken, und dadurch sammeln wir Informationen über alles, was uns begegnet und was uns umgibt. Doch unsere Sinne nehmen nicht alles wahr, was da ist. Die Augen von uns Menschen sind auf eine bestimmte Wellenlänge des Lichtes eingestellt – kürzere oder längere Wellen können wir nicht sehen. Die Ohren nehmen bestimmte Frequenzen wahr und höhere oder tiefere nicht. Die Haut fühlt Reize erst ab einer gewissen Intensität und kann sie nur unterscheiden, wenn der Unterschied deutlich genug ist. Der Geruchs- und Geschmackssinn täuscht leicht – nicht nur bei Erkältungen.

Die Sinnesorgane sind zwar in der Lage, eine Vielzahl von wichtigen Informationen zu liefern – aber die absolute und abschließende Wahrheit können sie uns nicht zeigen.

Begrenzte Aufnahmekapazität

Unsere Aufnahmekapazität für Informationen ist nicht besonders groß. Wir können ungefähr sieben Informationseinheiten gleichzeitig aufnehmen, vielleich auch zwei mehr. Oder, wenn’s dumm geht, zwei weniger. Erst wenn die verarbeitet sind, ist wieder Platz für weiteren Input.

Das gilt für die Informationen, die von außen auf uns einprasseln. Und auch für die, die von innen heraus als Gedanken, als Gefühle und Körperempfindungen unsere Aufmerksamkeit beanspruchen.

Kannst du dir vorstellen, wie eine einzige Stress-Situation dein Infor­mations­system ganz schnell komplett überlastet, so dass du keine Kapazität mehr frei hast, um deine Reaktionen zu steuern?

Persönliche Filter

Von den Informationen, die wir aufnehmen, stufen wir nicht alle als gleich interessant und wichtig ein. So ergibt sich automatisch eine Gewichtung – was uns relevanter erscheint, wiegt schwerer für uns, als unerhebliche Zusatzinfos.

Das bedeutet, dass vor allem die Informationen bei uns ankommen, auf die wir unsere Aufmerksamkeit richten. Und die Erlebnisse, die von uns als mögliche Gefahr wahrgenommen werden. Und die Dinge, die unser Überleben sichern.

Jeder von uns erachtet andere Dinge als relevant – je nach den persönlichen Erfahrungen, den Vorlieben, den eigenen Erwartungen und den momentanen Bedürfnissen.

Was wir über die Welt um uns herum erfahren, ist also immer ein ganz persönlicher Eindruck.

Meine Welt ist nicht deine Welt – und meine Wahrheit sagt viel mehr über mich aus, als über den wirklichen Zustand der Welt.

Mir drängt sich da die Frage auf: Sollte ich nicht stärker darauf achten, was ich zu meiner Wahrheit mache? Denn ich nehme ja vor allem die „Realität“ wahr, auf die sich meine Aufmerksamkeit richtet.

Schaue ich auf meine Schwächen, dann werde ich Spezialistin für die Dinge, die ich nicht kann!
Ich kann mich aber auch dafür entscheiden, zur Fachfrau für meine Fähigkeiten zu werden.

Schaue ich auf die Situationen, in denen ich mich als eingeschränkt oder unbeholfen fühle, werde ich mir mehr von diesen Situationen ins Bewusstsein rufen.
Lege ich meine Wahrnehmung eher auf die glücklichen Momente, dann werden sie mir bewusster (und – zumindest gefühlt – häufiger).

Wie könntest du heute deine Realität ein winziges Bisschen positiver machen? Was kannst du tun, damit deine Wirklichkeit einen einzigen Schritt näher an deinen Traum heranrückt?

Was immer dir einfällt und machbar erscheint – mach es.
Mach die Erfahrung, dass du deine Welt verbessern kannst.

Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine

Christine