Auf Reisen: Das Hotel-Frühstücks-Ritual

Christine Winter // Zu still, zu zurückhaltend

25. April 2016  

In den nächsten Wochen beginnt wieder die Haupt-Reisezeit. Menschen verbringen ihren Urlaub im Hotel, um mal etwas anderes zu sehen und zu erleben – und um sich rundum zu entspannen. Und ich freue mich auch schon darauf, demnächst in einem schönen Hotel eine Woche lang zu urlauben. 🙂

Wenn ich mich so zurückerinnere, waren Übernachtungen im Hotel für mich lange Zeit mega-unentspannend. Nicht nur, dass ich dort in einer ungewohnten Umgebung zwischen lauter mir unbekannten Gästen wohnen sollte… In Hotels gibt es auch gewisse Abläufe, die immer gleich (und daher für mich immer irgendwie fremd) verlaufen.

Der Reiseprofi genießt natürlich, dass er auf der ganzen Welt im Hotel immer ähnliche „Standards“ erwarten kann. Ich habe mich hingegen lange vor Hotelübernachtungen gedrückt (und dabei ein paar Alternativen ausprobiert), weil mir gerade diese Standardsituationen, die für alle anderen Hotelgäste völlig selbstverständlich zu sein schienen, extrem unangenehm waren.

Das Frühstück empfand ich immer als besonders schwierig. Das hängt sicher damit zusammen, dass ich morgens extrem viel Zeit brauche, bis ich wach genug bin, um Menschen entspannt zu begegnen. Mit „extrem viel Zeit“ meine ich, dass ich schon gerne zwei Stunden für mich hätte zwischen der ersten Tasse Kaffee und dem ersten Gespräch.

In aller Ruhe frühstücken im Hotel? – Fehlanzeige!

Egal, wie zeitig ich aufstehe – irgendwann muss ich doch in den Frühstücksraum, wenn ich Kaffee haben will. 🙂

Damit beginnt das Hotel-Frühstücks-Ritual. Und das geht so:

Auf dem Weg nach unten und durch die Lobby wünscht man allen Leuten, denen man begegnet, „Guten Morgen“. Und auch die Rezeptionistin ruft ein dezentes „Guten Morgen“ über den Empfangstresen. Es reicht, als Antwort jeweils ein „Guten Morgen“ entgegenzumurmeln – wobei ein schnelles Lächeln dazu natürlich auch nichts schadet. 🙂

Ich weiß ja nicht, wie‘s dir geht. Aber ich finde es ziemlich anstrengend, einen Frühstücksraum voller Leute zu betreten und mir den richtigen Platz auszusuchen. Deswegen bin ich gern möglichst früh dran, damit ich einen Platz finde, an dem ich mich wohl fühle. Dazu gehört, dass möglichst hinter mir niemand sitzt und dass ich einen guten Überblick habe.

Kurz gesagt: „Mit dem Rücken zur Wand“ finde ich als Sitzplatz sehr angenehm.

Kaum hat man den Raum betreten, steht auch schon die Frühstücks-Servicekraft da. Nach dem „Guten Morgen“ möchte sie wissen, welches Heißgetränk sie bringen soll – und welche Zimmernummer man hat. Danach verschwindet sie sofort wieder, um mir – endlich! – meinen ersehnten Kaffee zu organisieren.

Damit ist mein Bedarf an Gespräch für diese Tageszeit auch gedeckt. Und glücklicherweise kommen im weiteren Frühstücksritual keine größeren Dialoge mehr vor. 🙂

Ich nehme mir Zeit. Schaue mich im Raum um. Schaue den Leuten zu, die bereits am Buffet zugange sind. Und genieße meine erste Tasse Kaffee.

Während ich so beobachte, kriege ich mit, wo man seinen Teller am Buffet nimmt und in welcher Richtung die meisten Gäste die angebotenen Speisen einsammeln. Und während das erste Koffein endlich da ankommt, wo es frühmorgens in meinem Körper dringend erwartet wird, bekomme ich langsam Lust darauf, mir etwas zu Essen zu holen.

Ich gebe es gerne zu. Ich fühle mich an Buffets immer ziemlich unbeholfen und es kommt mir vor, als würden mich alle beobachten, während ich mal wieder nicht schaffe, die Käsescheibe mit dem Vorlegebesteck so auf den Teller zu transferieren, dass das halbwegs elegant wirkt.

Dazu gibt es zwei Dinge zu sagen:

Erstens habe ich meinerseits während meines ersten Kaffees auch die Leute am Buffet beobachtet – ich sollte mich also nicht beklagen, falls mir nun auch jemand zusehen sollte. (Wobei die meisten Menschen sich eher mit essen und reden beschäftigen und eh nichts mitkriegen.)

Und zweitens ist es nach meiner Beobachtung völlig normal, dass man mit dem Teller in der einen und der Vorlegegabel in der anderen Hand manchmal eine etwas ungeschickte Figur abgibt. Das ist nicht zu vermeiden – und niemand denkt sich etwas dabei, wenn der Käsescheiben-Balanceakt mal einen zweiten Anlauf braucht. Es ist einfach jedem schon mal passiert.

Das gleiche gilt für Gebäckzangen-Probleme, Butterstück-Transfer oder die Orangensaft-Karaffe, die bauartbedingt immer kleckert…

So ein Buffet hat seine Tücken. Und alle Gäste im Frühstückraum können aus eigener Erfahrung nachempfinden, dass da schon mal was schiefgehen kann.

Ich weiß, dass dieses Wissen das ungute Gefühl während der Speisensammelei nicht leichter macht. 

Mein Trick: Ich gehe öfter ans Buffet.

​Was auf den ersten Blick merkwürdig erscheint, ist für mich so richtig sinnvoll.

  1. Ich bin jedesmal nur relativ kurze Zeit am Buffet – das gibt mir das Gefühl, dass ich nicht so viel Aufmerksamkeit auf mich ziehe.
  2. Wenn die Käsegabel-Sache umständlicher als nötig abläuft, kann ich mich anschließend wieder setzen und erst mal meinen Käse essen, während sich mein Stress wieder legt. Dann mache ich entspannt(er) den nächsten Anlauf und probiere vielleicht doch lieber die Müsli-Ecke aus.
  3. Ich lerne das Buffet nach und nach von allen Seiten kennen und kann mich bei jedem Gang neu entscheiden, worauf ich noch Lust hätte.
  4. Der vielleicht wichtigste Aspekt: Ich bekomme in kurzer Zeit mit möglichst geringem Stress viel Übung mit den Frühstücks-Gepflogenheiten. Und weil die in fast allen Hotels enorm ähnlich ablaufen, werde ich mit jedem Frühstück mehr zur „Expertin“.

Da ich sehr zeitig da war – um mir den genau richtigen Platz auszuwählen – habe ich auch sehr viel Zeit für mein gemütliches Frühstück. Und weil ich meine Herausforderungen winzig klein mache, kann ich es wirklich genießen.

Es ist völlig in Ordnung, dass ich während des Frühstücks – vorsichtig ausgedrückt – ein wenig einsilbig bin.
Wer mit mir zusammen verreist, weiß, dass ich jede Menge Zeit (und Kaffee) brauche, bevor ich Lust auf eine ausgiebige Unterhaltung habe. Und wer mich nicht kennt, dem ist es eh egal.

Früher habe ich das Hotel-Frühstücks-Ritual so anstrengend gefunden, dass ich manchmal lieber ganz auf‘s Frühstücken verzichtet habe. Heute weiß ich: Ich darf es mir leicht machen. Ich kann ein kleines Schrittchen nach dem anderen machen. Ich kann es genießen, mich immer wieder an meinen Platz zurückzuziehen und die anderen Gäste zu beobachten. 😉

Wenn du aber das Gefühl hast, dass es dir die Urlaubsfreude zu sehr vermiest, wenn du morgens für dein Frühstück in einen Raum mit vielen fremden Leuten gehen musst, dann schau dich doch mal nach einer Ferienwohnung oder einem Apartment um. Manchmal gibt es auch in Hotels Zimmer, die neben dem Kühlschrank auch eine winzige Kochgelegenheit oder wenigstens einen Wasserkocher und ein paar Teebeutel bieten – so kannst du notfalls mal im Zimmer frühstücken und ohne Frühstücks-Stress in deinen Urlaubstag starten.

Wobei ich ja schon sagen muss: So ein schön hergerichtetes Frühstücksbuffet hat was. Während ich im Alltag immer die gleiche Morgenmahlzeit esse, genieße ich es enorm, wenn ich im Hotel dieses vielfältige Angebot habe und mir, so oft ich mag, die unterschiedlichsten Sachen holen kann.

Mein Hotelfrühstück dauert schon mal eineinhalb Stunden.
Und ich bin anschließend nicht nur absolut satt, sondern auch endlich ausreichend wach, um in meinen Urlaubstag zu starten. 🙂

Sag mal, was sind eigentlich deine Herausforderungen beim Verreisen?
Lass mir doch einen Kommentar da…

Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine

Christine