Einfach mal nichts tun

Christine Winter // Persönliche Entwicklung

2. Mai 2016  

Vielleicht kennst du das auch: Wenn man so mittendrin im Alltag steckt und versucht, all die Alltagsdinge zu erledigen, die dennoch nie alle zu schaffen sind, dann wird eine Idee immer stärker:

Es wäre so schön, einfach mal nichts zu tun. Nichts sollen, nichts müssen…

Der Alltag beweist derweil mühelos, dass Nichtstun überhaupt nicht in Frage kommt.
Und aus der Idee von einer kleinen Auszeit entwickelt sich, während rings um uns der Alltag tobt, mit der Zeit der Traum von der großen Auszeit.

Urlaub.
Wochen, in denen der Alltag Pause macht.
Nichts tun – den ganzen Tag nur Nichtstun.

Der Traum vom Nichtstun

Die eigentliche Idee hinter dem Nichtstun ist, keine Verpflichtungen zu haben. Es geht weniger darum, nichts zu tun – genau genommen wünschen wir uns, nichts tun zu MÜSSEN.

Das Müssen lernen wir schon ganz früh im Leben. Ich musste zum Beispiel das Schuhebinden können, als ich in den Kindergarten kam. (Das war zu einer Zeit, als Klettverschlüsse zwar schon erfunden, aber noch nicht besonders verbreitet waren. An einer ordentlich gebundenen Schnürsenkel-Schleife führte damals im Kindergarten noch kein Weg vorbei.)
Im Klartext lernte ich mit vier Jahren: Wer im Leben vorankommen will, muss mehr können. Ohne Schleife-Binden wird aus dir nie ein Kindergartenkind.

Und zugleich war noch etwas völlig klar: Sobald du es kannst, musst du es auch machen.

Selbstverständlich zieht sich ein Kindergartenkind die Schuhe ganz alleine an. Das hat es schließlich extra gelernt. Und weil es Schuhebinden kann, ist klar, dass es das auch machen muss.

So geht’s weiter mit Vorschule, Grundschule, weiterführender Schule. Man lernt und lernt – und je mehr man kann, desto mehr muss man tun.
Berufsausbildung, Studium, Einlernphase, Aufstieg, Karriere machen – je mehr man kann, desto weniger kann man Nein sagen, wenn Aufgaben verteilt werden.

Man muss tun, was man kann.

Nichts tun im Urlaub

Die Idee von Urlaub ist: Einmal im Jahr nichts tun müssen. Frei haben. Keine Aufgaben erledigen. Auszeit vom Alltag.

Verreisen ist der Versuch, weg vom Alltag zu fahren, um alles was man muss und soll und kann hinter sich zu lassen. Solche Urlaubsreisen haben eine gewisse Ähnlichkeit mit einer Flucht – weg vom normalen Leben, rein in eine Traumwelt auf Zeit.

Ich habe einige solche Reisen gemacht. Und ich fand es ziemlich frustrierend. Das Nichtstun ist nämlich ganz schön nervenaufreibend, vor allem, wenn die Zeit drängt, weil schon nach wenigen Tagen die Rückkehr in den Alltag droht. Und egal wohin ich gefahren oder geflogen bin – ich bin immer die geblieben, die ich zuhause war. Ich bin auf Reisen genauso zurückhaltend, genauso perfektionistisch, genauso schnell überfordert wie daheim. Ich bin im Urlaub genausowenig in der Lage, nichts zu müssen, wie im Alltag.

Ich bin an einem anderen Ort genau dieselbe Person wie zu Hause. Punkt.

Nach dieser Erkenntnis habe ich es aufgegeben, Urlaub als „Nichts-Tun-Zeit“ zu planen.

Es geht mir gar nicht ums Nichtstun. Ich möchte gerne tun, was mir gefällt und was mir gut tut. Und ich möchte neue Orte erkunden – aber bitteschön in aller Ruhe und ohne mich dabei zu überfordern.

Daraus ergibt sich automatisch eine Art „Urlaubsroutine“ für mich.
Einen Teil des Tages verbringe ich sehr aktiv mit Sightseeing oder Peopleseeing. 🙂
Und wenn ich merke, dass mich noch mehr davon erschöpfen würde – das ist lange bevor ich wirklich erschöpft bin – ziehe ich mich zurück und lese ein Buch oder schaue auf’s Meer oder gehe in mein Zimmer für ein Nickerchen. Bis ich dann wieder Lust kriege, rauszugehen und etwas zu erleben.

Ich lebe einen Rhythmus, in dem ich mich wohlfühle. Das ist für mich Urlaub.

Nichts tun im Alltag

Es wäre schön, wenn ich den Rhythmus aus dem Urlaub auch in den Alltag mitnehmen könnte: Aktiv sein, bis kurz bevor es anstrengend wird – Pause machen, bis kurz bevor es langweilig wird – wieder aktiv sein – und so weiter.

Das Dumme am Alltag ist, dass ich ganz oft nicht alleine entscheiden darf, wann ich etwas tue und wann ich Pause habe. Und schon ist der Traum von der Auszeit wieder da…

Nun ist planmäßiges Nichtstun ungefähr so schwierig wie planmäßiges an nichts denken – es klappt bestenfalls für einen kurzen Moment und es erfordert ziemliche Konzentration. Dann bezeichne ich es als Meditation, und meditieren ist etwas, das mir absolut nicht leicht fällt.

Ich bin offen gestanden nicht besonders gut im planmäßigen Nichtstun.

Aber ich versuche, auch im Alltag den Rhythmus zwischen Rausgehen und Rückzug so zu leben, dass ich zu keiner Zeit überfordert oder genervt oder gelangweilt bin. Und ich versuche, das MÜSSEN so gering wie möglich zu halten, indem ich so oft es geht tue, was ich mag.

Und jetzt kommt das Beste daran:
Indem ich möglichst oft tue, was ich mag, habe ich oft ein Gefühl, als würde ich nichts tun. Für diese Art von „Nichtstun“ ist es im Grunde egal, ob ich im Urlaub oder im Alltag bin.

Man muss überhaupt nicht tun, was man kann. Man kann jede Menge Sachen können und sich dennoch bewusst entscheiden, sie nicht zu tun. Man kann sogar manche Dinge richtig gut können, und man muss sie trotzdem nicht machen. Ich glaube, dass man mit einer entschiedenen „Nicht-Tun-Entscheidung“ der Idee vom Nichtstun schon ziemlich nahe kommt.

Was meinst du? Nichtstun – oder lieber Nicht-Tun?
Lässt du mir einen Kommentar da? Oder lieber nicht? 😉

Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine

Christine