Mit Adleraugen Stärken finden

Christine Winter // Coaching-Geschichten

1. September 2014  

Als Coach begleite ich Menschen, die an ihrer persönlichen Entwicklung arbeiten. Und manchmal bin ich von den Gedanken, die dabei entstehen, so berührt, dass ich darüber eine Geschichte schreibe.

F. ist eine quirlig-aktive Klientin, die gerne für andere da ist und darüber manchmal vergisst, sich Zeit und Raum für sich selbst zu nehmen. Daher bin ich mit ihr auf eine Entspannungs-Traumreise gegangen, auf der sie sich ein paar Stärken hervorgeholt hat, die sie längst in sich getragen hatte.

Die folgende Fabel ist meine Interpretation ihrer Reise zu den Qualitäten, die sie besitzen wollte, um eine neue Herausforderung anzugehen und etwas für sich zu schaffen.

 â€œEin Mäuschen kümmerte sich stets und gerne darum, für ihre Mäusefamilie ein gemütliches Heim zu schaffen und gut für alle zu sorgen. Von Zeit zu Zeit hielt sie inne, stellte sich auf die Hinterfüße, zog das Näschen kraus, so dass ihre Tasthaare zitterten, und versuchte herauszufinden, ob es nicht noch etwas anderes gäbe, was sie anpacken könnte. Etwas, das nur ihr selbst gut täte… Und dann kümmerte und sorgte sie weiter für ihre Lieben, weil es das gerne tat.

Es kam manchmal vor, dass das Mäuschen erschöpft war von dem ganzen Kümmern und Sorgen. Und dann fing es ab und an zu träumen an. Von seinen eigenen Wünschen. Von einem eigenen Raum, der ganz so wäre, wie das Mäuschen es sich ausmalte. Von einem Ort, der ein kleines bisschen Abenteuer in sich bergen würde und gerade so viel Herausforderung, dass sich das Mäuschen dabei wach und kraftvoll fühlen würde.

Und wie es noch so träumte, da verwandelte sich das Mäuschen in einen Adler. Der Adler konnte von einem Moment zum anderen kraftvoll fliegen und endlos lange schweben. Ganz hoch war er in der Luft und das Mäuseland sah plötzlich viel größer aus als es aus der Perspektive der Mäusestube gewirkt hatte.

Die scharfen Adleraugen sahen das Mäuschen in ihrem Mäusezuhause lange an. Und immer deutlicher erkannte der Adler, dass es dem Mäuschen an etwas ganz wichtigem fehlte… Was das Mäuschen am meisten brauchte, war der Mut, seinen eigenen Weg zu gehen. Hinaus ins Mäuseland, wo die Abenteuer lauerten und die Herausforderungen.

Die Adleraugen sahen noch mehr: Sie sahen, dass das Mäuschen diesen Mut längst hatte. Als junge Maus war sie Wege gegangen, die die anderen Mäuse für zu gefährlich hielten – und sie allein hatte erreicht, was die älteren Mäuse nicht gewagt hätten. Der Adler brauchte nur die Erinnerung daran zu wecken und dem Mäuschen einen kleinen Stups zu geben, den eigenen Mut wieder zu finden.

So wurde die Maus wach und fand sich in ihrem Haus wieder. Voller Mut war sie nun und hatte große Lust, diesen Mut auf die Probe zu stellen. Aber gleich erwachte auch der Zweifel in ihr, und obwohl sie viel Mut in sich trug, ging sie am Abend zu Bett, ohne die Welt jenseits des Mäusebaus erkundet zu haben.

Wieder verwandelte sie sich im Traum in den Adler. Der Adler blickte herab auf die mutige Maus und sah, was der Maus fehlte. Sie brauchte die Gewissheit: „Ich bin richtig – genau so wie ich bin.“

Die Maus trug dieses Wissen längst tief in sich. Sie hatte schon früher mehrfach die Erfahrung gemacht, wie es sich anfühlt, wenn man ganz und gar von dem überzeugt ist, was man tut und wie man ist. Und der Adler sorgte dafür, dass sie mit diesem wunderbaren Gefühl erwachte und es mit in ihren Tag hinein nahm.

Die Maus fing an, darauf zu vertrauen, dass alle Fähigkeiten, die sie brauchte, um sich auf ihren Weg zu machen, in ihr steckten. Darum bat sie am Abend den Adler, noch einmal zurückzukommen, denn sie hatte noch einen Wunsch.

Und als sie eingeschlafen war, rief sie den Adler herbei und bat ihn, ihr doch auch noch Leichtigkeit zu schenken. Der Adler sprach zu ihr und sagte: „In deinem ersten Traum hast du dich in einen Adler verwandelt, der kraftvoll fliegen und endlos schweben kann. Und du hast den Mut gefunden, hinzugehen wo du noch nie gewesen bist. In deinem zweiten Traum hast du dich in einen Adler verwandelt und während du so geschwebt bist, hast du die Sicherheit in dir gefunden, dass du genau so wie du bist, richtig bist. Vertraue darauf, dass die Leichtigkeit und alles, was du sonst noch brauchst, um deine Schritte ins Neuland zu machen, längst vorhanden ist.

Was du für deinen Weg brauchst, das findest du in dir.“

Es war für uns beide ein eindrucksvolles Erlebnis, den Mut, das Selbstbewusstsein und die Leichtigkeit miteinander zu verbinden und die Kraft zu spüren, die daraus entsteht.

Mich freut besonders für F., dass sie sich entschieden hat, ihr Vorhaben Schritt für Schritt im für sie angenehmen Tempo anzugehen. Es ist keine kleine Herausforderung und der Weg beinhaltet einige Umleitungen, aber sie besitzt Mut, Selbstbewusstsein, Leichtigkeit – und vor allem ganz viel positive Ausstrahlung, um schließlich ihr Ziel zu erreichen.