Lange Zeit hat mich meine innere Stimme bei jeder Gelegenheit darauf hingewiesen, dass „Aufschieberitis“ die schlimmste Charakterschwäche überhaupt ist.
„Menschen mit Selbstdisziplin haben sowas nicht“, sagte meine innere Stimme.
Und sie sagte auch, regelmäßig: „Wenn du alles gleich erledigst, dann hast du es hinter dir.“
Und dann natürlich auch noch: „Was sollen denn die Leute denken, wenn es bei dir auf dem Schreibtisch so aussieht.“
Ich sag’s ganz offen – diese innere Stimme von mir ist arrogant, besserwisserisch und hat überdies auch noch keinerlei Ahnung von irgendwas.
(Und – ich gebe es ungern zu – ich habe fast vierzig Jahre gebraucht, um das zu merken…)
Tatsache ist doch: Ich erreiche eine Menge wertvoller Ergebnisse, obwohl ich so einiges vor mir herschiebe. Die Dinge, die (mir) wichtig sind, schaffe ich immer rechtzeitig und richtig. Und wie’s auf meinem Schreibtisch aussieht, während ich diesen Artikel schreibe, geht nun wirklich niemanden etwas an – da könnten die Leute meinetwegen denken, was sie wollen.
Mittlerweile weiß ich, dass meine innere Nörgelstimme einfach irgendwelche Dinge behauptet, die sie nie und nimmer beweisen kann.
Und ich halte dagegen: Ich bin gut genug – genau so wie ich jetzt gerade bin. Ich tue, was ich kann. Ich tue, was ich mag. Und ich tue es nach meinen ganz persönlichen Prioritäten.
(„Die Leute“ haben vielleicht andere Vorstellungen davon, was gerade wichtig ist. Aber das ist deren Angelegenheit.)
So, jetzt steht schon mal Aussage gegen Aussage.
Ich gehe sogar noch weiter: Wenn ich mich auf das konzentriere, was ich mühelos kann und was ich mir nicht eigens vornehmen muss, weil ich es ganz automatisch erledige, dann bin ich richtig gut in dem, was ich tue. Und es darf leicht und mühelos sein! Denn der Wert meiner Arbeit – und auch der Wert von mir selbst – richtet sich nicht danach, wie sehr ich mich angestrengt habe. Stimmts?
Die doofe innere Stimme musste mittlerweile lernen, dass es kein Grund zum Meckern ist, wenn ich mir einen Vorrat an möglichen Aufgaben anlege.
Ich finde sogar, dass meine Aufgabenbevorratung eine sehr persönliche Eigenheit ist – ein Charaktermerkmal, wenn du so willst.
Und ich finde, dass das zu mir dazu gehört. Wäre es anders, dann wäre ich eine Andere…
Es schadet niemandem, wenn ich auch heute wieder bis zur letzten Minute an diesem Blogartikel feile (obwohl ich doch seit fast einem Jahr Woche für Woche feststelle, dass es überhaupt kein Problem wäre, früh genug mit dem Schreiben anzufangen, um ohne Zeitdruck fertig zu werden).
Es ist auch nicht weiter schlimm, dass ich heute Vormittag etwas erledigt habe, das keineswegs dringend war (aber Spaß gemacht hat) und dadurch die an sich schon dringenden Sachen noch dringender habe werden lassen. Jetzt ist das Undringende schon mal in aller Ruhe erledigt und um das Dringende kann ich mich anschließend immer noch kümmern.
Die innere Stimme nörgelt immer noch leise vor sich hin. Dabei haben wir bereits geklärt, dass meine Aufschieberitis für mich einen Sinn hat. Für mich ist es ein Ausdruck von Freiheit und Selbstbestimmung, dass ICH entscheide, wann ich was tue – oder eben auch nicht.
Die innere Stimme findet das nicht okay. Ich denke, da werden wir immer unsere Meinungsverschiedenheiten haben. So ist das halt in einer engen Beziehung – man hat so seine Themen miteinander…
Und so antworte ich meiner inneren Stimme grinsend:
„Was du heute kannst besorgen…
Kannst du auch noch übermorgen.“
Ich nehme an, du hast auch eine innere Stimme… Oder mehrere…
Auch wenn ich nicht weiß, was deine innere Stimme an dir zu bemängeln hat – in einem Punkt bin ich mir absolut sicher:
Du bist genau richtig, so wie du bist. Denn wenn du anders wärst, dann wärst du nicht mehr du!
Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine