Soll ich erst den Schreibtisch aufräumen, dann den nächsten Blogartikel vorbereiten? Oder umgekehrt?
Einkaufen fahren oder Küche aufräumen?
Zum Feierabend ein Buch lesen oder einen Film kucken?
Spaghetti essen oder Pizza?
Das rote T-Shirt oder das blaue?
Erst die Arbeit oder erst das Vergnügen?
Ständig muss man Entscheidungen treffen – das ist richtig anstrengend. Und dabei ist es, wenn wir mal ganz ehrlich sind, bei den meisten Entscheidungen völlig egal, was du wählst. Wenn du dich nur überhaupt entscheidest.
Rotes oder blaues T-Shirt? Die Welt wird sich so oder so weiterdrehen.
Ob die Küche sauber und der Schreibtisch aufgeräumt ist oder nicht – das Leben geht seinen Gang.
Und der Himmel wird dir nicht auf den Kopf fallen, wenn du dich erst für‘s Vergnügen entscheidest und die Arbeit möglichst lang aufschiebst. (Echt nicht. Das habe ich ausprobiert!)
Es gibt nur wenige wirklich lebensverändernde Entscheidungen. Und die lassen sich meist relativ einfach treffen. Weil dann das Ergebnis eben nicht Jacke wie Hose ist.
Fies sind hingegen die ständigen Mini-Abwägungen, die man treffen muss, während man sich durch den Alltag manövriert.
Wenn das Hirn müde wird: Entscheidungsermüdung
In den letzten Jahren ist viel darüber geforscht worden, ob und wenn ja, warum es immer anstrengender wird, sich zu entscheiden, je mehr Entscheidungen man bereits getroffen hat.
Die Wissenschaftler haben die unterschiedlichsten Versuche angstellt und immer wieder hat sich bestätigt, dass es sich mit Entscheidungen ganz ähnlich verhält wie mit Sit-ups und Liegestützen. Die ersten paar sind noch machbar, aber dann wird jede weitere deutlich schwieriger, bis irgendwann schlicht nichts mehr geht. So, wie beim körperlichen Workout die Muskeln erst ermüden und schließlich irgendwann streiken, scheint Aktivität auch für den „Entscheidungsmuskel“ erst immer mühsamer und schließlich unmöglich zu werden, wenn er überstrapaziert wird.
Die Entscheidungsmüdigkeitsforschung hat sogar in Gerichtsverhandlungen beobachtet, dass die Richter in den ersten Terminen des Tages mehr den Einzelfall betrachten und zum Beispiel bei Entscheidungen über vorzeitige Haftentlassungen eher schon mal zu Gunsten des Angeklagten entscheiden. Einige Verhandlungen später fallen die Entscheidungen tendenziell negativer aus und der Einzelfall wird nicht mehr so sehr gewürdigt. Man könnte sagen, dass dem Richter im Laufe des Verhandlungstages die Entscheidungskraft ausgeht…
Übrigens merkt man selbst nichts von seiner eigenen Entscheidungsermüdung. Jeder Richter wird jederzeit mit voller Überzeugung sagen, dass er bei allen Entscheidungen nach den gleichen Maßstäben geurteilt hat. Er hat sich dabei weder müde noch unschlüssig gefühlt und würde es weit von sich weisen, wenn jemand unterstellen würde, dass er den einfacheren Weg gewählt hat, weil er vom vielen Entscheiden erschöpft war.
Kurz gesagt scheint es längst bewiesen zu sein, dass viele kleine Entscheidungen zur Ermüdung führen. Und die kann so weit gehen, dass wir überhaupt nicht mehr entscheiden, sondern unentschlossen alle Themen, die eine Entscheidung bräuchten, vor uns herschieben. Oder wir machen einfach das Erstbeste, das Naheliegendste – auch, wenn‘s langfristig nicht sinnvoll ist.
Entscheidungsstarre und Aufschieberitis vermeiden
Entscheiden ist morgens leichter als nachmittags. Je später der Tag, desto wahrscheinlicher ist eine Entscheidungsermüdung.
Nach meiner Erfahrung ist regelmäßige Entspannung (neben ihren anderen guten Auswirkungen) auch für mehr Entscheidungsfreude hilfreich – doch wenn die Ermüdung erst mal zugeschlagen hat, dann bringt so ein kleines Päuschen leider nicht mehr viel.
Daher solltest du von Anfang an so viel mentale Energie wie möglich sparen und zum Beispiel:
- Rituale nutzen – immer gleich machen statt immer neu entscheiden.
- Checklisten schreiben – zuerst detailliert „auf Vorrat“ entscheiden (am besten vormittags), dann nach einer Pause (vielleicht, wenn du später am Tag schon entscheidungsmüde bist) einfach Schritt für Schritt abarbeiten.
- Authentisch sein – es ermüdet nämlich den Entscheidungsmuskel auch, wenn man seine echten Gefühle verbirgt und beispielsweise vorspielt, sich auf einer Party total wohlzufühlen, obwohl man eigentlich schon seit Stunden viel lieber daheim auf der Couch fernsehen würde.
(Vielleicht fällt es uns es deswegen so schwer, bei einer Feier zu entscheiden, dass wir frühzeitig heimgehen möchten, weil es vorher bereits so anstrengend war, gut gelaunt mitzufeiern…?)
Wenn‘s eh egal ist: Würfeln!
Meine aktuelle Lieblingsmethode für Entscheidungen, bei denen mir das Ergebnis eigentlich egal ist, ist das Würfeln. Bei allen nicht lebenswichtigen Entweder-Oder-Fragen überlasse ich meine Entscheidung ganz einfach dem Zufall.
(Das hat nebenbei gesagt den Vorteil, dass ich dann meine Resultate immer dem Zufall in die Schuhe schieben kann. 🙂 Und außerdem ist es ausgesprochen lustig, die Essensfragen, Kleidungsfragen, Haushaltsfragen etc. zwischendurch mal ganz und gar zufällig zu entscheiden.)
Probier’s doch auch mal aus. Stell eine Frage, zum Beispiel: „Esse ich heute zum Abendessen Salat?“. Und lass den Würfel entscheiden.
Und woher kriegt man so einen Würfel?
Do it yourself. 😉
Du brauchst einen dünnen Karton, Lineal und Stift, Schere und Klebstoff.
Und dann baust du dir nach diesem Muster hier deinen Ja-oder-Nein-Würfel:
Oder du nimmst einen Würfel, der eh schon in irgendeiner Schublade herumliegt und sechs Klebepunkte, die du beschriftest – drei für Ja, drei für Nein. Fertig ist der Entscheidungswürfel.
Achte auf dein Gefühl
Wenn du dir beim Werfen des Würfels ganz intensiv wünscht, er möge „Ja“ sagen – dann hast du deine Entscheidung schon getroffen, egal was der Würfel anzeigt.
Und natürlich machst du dann das, was dein Gefühl entschieden hat.
Schließlich ist der olle Würfel nur dazu da, dich von den „Egal-wie-Hauptsache-eine-Entscheidung“-Entscheidungen zu entlasten, bei denen es deinem Gefühl total wurscht ist, was dabei rauskommt.
Wenn sich die Intuition in letzter Minute doch noch meldet und schreit: „Bitte, bitte, lass jetzt ein „Ja“ kommen.“ – dann ist der Würfel ganz klar überstimmt.
Du bist so oder so raus aus der Entscheidungsstarre und kannst tun, was zu tun ist.
Würfeln ist doof?
Falls du gerade eben ganz spontan entschieden hast, dass du ganz sicher nicht mit Schere, Karton, Klebstoff hantieren wirst – weil du zum Beispiel der geborene Bastel-Legastheniker bist – dann lass es einfach. Ich finde, das ist eine gute Entscheidung.
Eine Münze zu werfen erfüllt übrigens den gleichen Zweck.
Oder du ziehst Lose. Oder Streichhölzer.
Meinetwegen auch Tarotkarten… 😉
Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine