Selbstliebe wäre bestimmt ganz einfach, wenn ich mich nur liebenswert fände…

Christine Winter // Persönliche Entwicklung

3. August 2015  

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur Blogparade „Stark durch Selbstliebe!“ beim Wahrnehmungsguide Claudia Heipertz.

Manchmal ist es schon eigenartig: Obwohl ich mich immer wieder mit meinem „Selbstwert“, meinem „Selbst-Bewusstsein“ und auch der „Selbst-Wertschätzung“ beschäftigt habe, kam der Begriff „Selbstliebe“ bisher in meinem Wortschatz nicht vor.

Dabei finde ich es ganz besonders wichtig, mich selbst und mein Selbst zu mögen.


Und daher kam mir der Anstoß von Claudia Heipertz gerade recht, um mich mit der Frage zu befassen:

Selbstliebe – wie geht das?

Was ist „mein Selbst“?

Das fängt ja schon gut an. Wikipedia beginnt mit den Worten: „Selbst ist ein uneinheitlich verwendeter Begriff (…)“ und der darauf folgende Eintrag über das Selbst liefert dann gleich etliche unterschiedliche Definitionen.

Nachdem ich das alles und noch ein paar andere Quellen dazu studiert habe, würde ich ganz simpel formuliert sagen: Mein Selbst ist das, was ich über mich denke und glaube. Punkt.

Was ist mit „Selbstliebe“ gemeint?

Bleiben wir bei meiner schlichten Definition des „Selbst“. Selbstliebe heißt dann, dass ich Liebe für das empfinde (oder es jedenfalls schätze und mag), was ich über mich denke und glaube.

„Liebe“ ist so ein enorm großes Wort. Ich empfinde es manchmal fast ein bisschen überwältigend. Und es ist oft von enormen Erwartungen geprägt. Oder von enormen Enttäuschungen überlagert.

Lass mich deswegen auch hier wieder gnadenlos vereinfachen: Selbstliebe ist für mich im Rahmen dieses kleinen Blogartikels, dass ich ein angenehmes Gefühl habe zu dem, was ich über mich denke.

Wie geht diese Selbstliebe?

Meine simple Definition klingt ein bisschen nach „Positivem Denken“. Nur funktioniert es leider nicht, sich gute Gefühle und positive Gedanken einzureden.
Oder hat es bei dir schon mal geklappt, wenn du dir gedacht hast: „Mein Leben ist gerade grundsätzlich nicht so doll. Und deswegen fühle ich mich jetzt einfach absichtlich total super. Hach, da geht’s mir doch schon viel besser.“
Ich habe es probiert, und bei mir klappt das so nicht…

Einfacher ist es, gute Gefühle und angenehme Gedanken zu haben, wenn es dir gerade genial gut geht. Dann ist der Gedanke „Ich fühle mich total super“ überhaupt nicht schwierig.
Und an sich spricht doch überhaupt nichts dagegen, mal bewusst daran zu denken, wie gut du dich mit dir selber fühlst, weil es die Gelegenheit gerade hergibt.

Dann bist du schon mal einen großen Schritt in Richtung Selbstliebe vorwärtsgekommen.

Und ein guter Trick wäre es, die Gelegenheiten für die positiven Gedanken und Gefühle gezielt zu suchen. Aber das ist dann schon für Fortgeschrittene. 🙂

Was ist mit meinen Eigenheiten, die ich nicht an mir lieben kann?

Die Frage ist absolut berechtigt. Jeder hat mehr als genug Eigenheiten an sich, die er bei sich überhaupt nicht leiden kann.
(Das liegt übrigens daran, dass wir die einzige Person sind, die es rund um die Uhr mit uns selber aushalten muss – und die dabei auch noch sämtliche Gedanken, die uns durch den Kopf gehen, mitbekommt. Logischerweise sind alle anderen Menschen auf der Welt viel weniger kritisch mit uns – sie kriegen ja viel weniger mit. Aber das sei nur ganz nebenbei bemerkt.)

Du hast Gedanken, Gefühle, Marotten, Persönlichkeitseigenschaften, körperliche Besonderheiten, Gewohnheiten, Vorstellungen und vieles mehr, was du nicht gut an dir findest. Klar. Das gehört zum Mensch-Sein dazu. Wenn du so willst, ist das der größte (bewusste) Teil deines „Selbst“.

Selbst-Bewusst-Sein heißt demnach, mit all deinen Eigenheiten so umzugehen, dass im Durchschnitt ein angemessen gutes – also positives – Gefühl dabei rauskommt.

Wenn ich aber nicht liebenswert bin? Schon gar nicht für mich selbst!

Ich könnte jetzt sagen, dass das nicht stimmt. Und ich weiß, dass du darauf antworten würdest, dass du es mit absoluter Gewissheit weißt.

Also spare ich mir diesen Teil meines Textes einfach. 🙂

Du fühlst dich nicht liebenswert. Und das ist okay. Ich werde es dir nicht ausreden.

Es wäre auch zu viel verlangt, wenn du dich jetzt sofort komplett liebenswert finden solltest. Ehrlich gesagt fände ich das ziemlich extrem!
Ich würde dir nicht empfehlen, die sofortige uneingeschränkte Selbstliebe anzustreben.

ÜBUNG: Fang klein an und spiele mit einer einzelnen Eigenheit…

Du hast eine liebenswerte Eigenheit. Eine einzige. Davon bin ich absolut überzeugt.

(Wenn du jetzt denkst: „Nein, ich habe absolut überhaupt keine liebenswerte Eigenheit an mir. Wie kommt Christine dazu, mir sowas zu unterstellen! Die kennt mich ja nicht einmal!“ …
Dann würde ich sagen, dass du einen bewundernswert starken Eigen-Sinn hast. Und das ist eine Eigenschaft, die sich prima als Beispiel für diese Übung eignet.)

Es ist okay, wenn du die Übung mit einer Eigenschaft machst, die du als negativ bewertest. Viel wichtiger als deine Bewertung ist nämlich, dass du ein starkes Gefühl hast, wenn du dich mit deiner Eigenschaft auseinandersetzt, und das ist bei etwas, das du nicht magst, wahrscheinlich leichter zu bemerken.

  1. Wähle die Eigenschaft, mit der du üben möchtest und schreib sie dir auf.
    Ich notiere mal als Beispiel „MEINE STURHEIT“.
  2. Finde eine offene Haltung zu dieser Eigenschaft.
    Es ist gut, einfach nur neugierig zu sein, was die „Sturheit“ zu sagen hat.
  3. Spüre, wie sich die Eigenschaft im Moment anfühlt.
    Vielleicht spürst du gleich irgendwo im Körper, dass sich etwas zusammenzieht oder starr anfühlt oder wärmer/kälter wird oder pocht/zittert…
    Oft ist es ein ganz subtiles Körpergefühl – und du brauchst auch nichts zu tun, um es stärker werden zu lassen.
    Es reicht, wenn du kurz denkst: Ja, da spür‘ ich etwas.
  4. Frage die Eigenschaft und das Gefühl, das du dazu hast: Was möchtest du für mich erreichen, wenn du dich zeigst?
    Was möchtest du für mich erreichen, Sturheit, die sich als kleiner fester Ball in meinem Bauch bemerkbar macht?
    Vielleicht antwortet die Sturheit, indem sich das Körpergefühl ein wenig verändert.
    Oder es fällt dir ganz von selbst ein Wort, ein Satz, ein Erlebnis, irgendein Gedanke ein.
    Möglicherweise merkst du „nichts“, und dieses spezielle NICHTS hat eine Information für dich.
    Frage einfach ein paar mal nach: Sturheit, was möchtest du für mich erreichen, wenn du dich zeigst
  5. Sei penetrant. Es kommt immer eine „Antwort“, ein Gefühl, ein Gedanke, eine Idee…
    Gib dem, was dir einfällt einen Namen oder eine ganz kurze Beschreibung.
    Was ich spüre bedeutet: Sorg‘ für Gerechtigkeit.
  6. Frage die Erkenntnis/Eigenschaft und das Gefühl, das du dazu hast: Was möchtest du für mich erreichen, wenn du dich zeigst, was noch wichtiger als das Gefühl von…???
    Was möchtest du für mich erreichen, was noch wichtiger als das Gefühl von Gerechtigkeit? – Das Gefühl antwortet: Weite.
  7. Wiederhole die vorige Frage jeweils mit der Erkenntnis/Eigenschaft und dem Gefühl, das kommt.
    Was möchtest du für mich erreichen, wenn du dich zeigst, was noch wichtiger als das Gefühl von Weite??? – Eine Idee taucht auf: Beziehung.
    Was möchtest du für mich erreichen, wenn du dich zeigst, was noch wichtiger als das Gefühl von Beziehung??? – Es fühlt sich an wie Verbundenheit.
    Und du fragst die gleiche Frage weiter, bis du merkst, dass nichts Neues mehr auftaucht.
  8. Dann stellst du noch die Frage an das Gefühl: Wenn das alles erreicht ist – gibt es etwas, das noch wichtiger ist?
    Genieße das Gefühl, das du nun gefunden hast. Lass es ruhig einige Momente wirken. Es ist in Ordnung, wenn du es nicht benennen willst. Bleib einfach eine kleine Weile dabei…
  9. Schau dir nun aus diesem Gefühl heraus die Eigenschaft an, die du notiert hattest. Spüre, wieviel sie für dich bedeutet.
    Aus dem großartigen Gefühl heraus sehe ich die „Sturheit“ in einem anderen Licht. Sie gehört zu mir dazu. Und sie führt mich weit über Gerechtigkeit und Weite und Verbundenheit hinaus, wenn ich ihr erlaube, zu zeigen, was sie für mich tun kann.
  10. Wenn du magst, sei dankbar für diese eine liebenswerte Eigenschaft.

Sei du, Selbst, lass die anderen anders sein. 😉
Deine

Christine