Das Schweigen zusammengereimt…

Christine Winter // Leserthemen

22. Januar 2015  

Heute habe ich die Autorin Janne Jesse zu Gast mit einem poetischen Beitrag.

Wir haben uns letzten Sommer online kennengelernt, als mein Blog gestartet ist – und online sind wir inzwischen auch Freunde geworden. Janne ist ein Stiller Mensch. Deswegen hätten wir uns „im wirklichen Leben“ vermutlich nie getroffen. Um so mehr freue ich mich, dass wir heutzutage über Webseiten, Blogs, Social Media und Mails zueinander finden können.

Jannes Gedichte beschönigen nicht, wie es ist, wenn man nicht die Wahl hat, sein Schweigen zu brechen. Und doch enthalten sie immer auch eine leise Hoffnung und einen zarten Stolz auf das, was jenseits des Schweigens möglich ist.

Etwas oder sein

Einst starb ein Herz vor Gram,
weil’s konnte nicht bestehen,
nebst gottesgleicher Anmut
ins Antlitz sein zu sehen.

Als grauer Stein im Meere
aus Diamanten fein,
umgaben tausend Spiegel,
wie Wasser gar so rein –

ein Etwas ohne Namen,
bestimmungslos verbannt
ins Dasein einer Wahrheit,
die fälschlich es befand.

So schloss es seine Augen
und hörte nicht mehr zu,
ergab sich still der Ordnung
des Schweigens Selbstbetrug.

Vermeintlich Garten Eden,
Gerechtigkeit Gesetz,
Versprechen nie gebrochen
und Ehrlichkeit geschätzt.

Doch einsam mit den Jahren,
sich selbst sein eigen Staat,
nun Langeweile leidend,
sein Reich in sich zerbrach.

Drum wollt‘ es wieder sehen
und hören jedes Wort,
gleichwohl nichts währet ewig,
die anderen längst schon fort.

Jetzt leblos wacht der Graustein,
der nie im Spiegel sah,
wie schön er unter tausend
von Diamanten war.

(c) Janne Jesse

Vielen Dank, liebe Janne, dass ich wieder ein Gedicht von dir mit meinen Lesern teilen durfte.


Ich weiß schon länger, dass Janne sehr tiefgründige Gedichte vom Schweigen schreibt. Und als sie mir vor einer ganzen Weile erzählt hat, dass sie an einem Kinderbuch arbeitet, war ich sehr gespannt.

Heute hat der Postbote mein Exemplar von „Aurelia sagt nie Danke“ (Link zu Amazon) endlich gebracht. Ich habe zu lesen begonnen und mich sofort verliebt – in die liebevoll gereimte Geschichte, aber fast noch mehr in die wunderschönen Grafiken, die Janne dazu gezeichnet hat. Und ich bin schon sehr gespannt, wie es ausgehen wird…

Das schmale Buch ist sehr positiv und mit einem feinen Gespür für das Erleben eines mutistischen Mädchens geschrieben. Ich habe das Kind, das ich mal war, in vielen kleinen Nuancen von Aurelia wiedergefunden…

Ich finde, dass das Buch für alle geeignet ist, die mit Mutismus konfrontiert sind – ganz besonders, aber nicht nur, zum Vorlesen und gemeinsamen Ankucken mit einem größeren Kind.

Für mich ist es ganz eindeutig ein Büchlein zum öfter in die Hand nehmen…

Sei du selbst, lass die anderen anders sein.
Deine

Christine

Janne Jesse ist eine junge Frau mit selektivem Mutismus.
Sie schreibt sehr gerne Gedichte und hat das im Januar 2015 erschienene Kinderbuch “Aurelia sagt nie Danke” für alle, die mit Mutismus zu tun haben, gedichtet und liebevoll illustriert.

Zum selben Thema ist Mitte 2016 ihr Buch „Der stille Ritter Tom“ herausgekommen.